Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Lied von Rhiannon.
»Ich dachte, du hörst nicht zu, Ceinwyn«, sagte eine der Tanten spitz.
»Ich höre zu, Tonwyn, ich höre zu. Und alles, was ich höre, bereitet mir großes Vergnügen«, antwortete Ceinwyn, und ich fühlte mich plötzlich, wie ein Krieger sich fühlt, wenn der feindliche Schildwall zusammenbricht. Nur wagte ich ihren Worten nicht zu glauben. Ich wollte es, ich wagte es nicht - der Liebeswahn, der in einer wilden Sekunde von Verzückung in Verzweiflung umschlug.
Wieder setzte die Musik ein. Im Hintergrund ertönten rauhe Jubelrufe aus der großen Halle, wo die Krieger die bevorstehende Schlacht feierten. Mit immer noch hochrotem Gesicht lehnte ich mich ganz in die Kissen zurück und zerbrach mir den Kopf darüber, ob Ceinwyns letzte Worte sich auf unser Gespräch oder auf die Musik bezogen. Ceinwyn lehnte sich zurück und beugte sich weit zu mir herüber. »Ich will nicht, daß meinetwegen ein Krieg ausbricht«, sagte sie.
»Es scheint, daß es nicht mehr zu ändern ist, Lady.«
»Mein Bruder ist derselben Meinung wie ich.«
»In Powys regiert jedoch Euer Vater, Lady.«
»Das ist richtig«, antwortete sie. Sie zögerte, runzelte die Stirn und blickte schließlich zu mir auf. »Wenn Arthur siegt - wem wird er mich dann zur Frau geben wollen?«
Wieder überraschte mich die Offenheit ihrer Frage, aber ich gab ihr eine aufrichtige Antwort. »Er möchte, daß Ihr Königin von Siluria werdet, Lady.«
Beunruhigt sah sie mich an. »Als Gemahlin von Gundleus?«
»Als Gemahlin König Lancelots von Benoic, Lady«, berichtigte ich und gab damit Arthurs heimliche Hoffnung preis. Aufmerksam beobachtete ich ihre Reaktion.
Ceinwyn sah mir in die Augen und versuchte dabei offenbar zu erkennen, ob ich die Wahrheit gesprochen hatte. »Es heißt, daß Lancelot ein großer Krieger sei«, sagte sie nach einer Weile, jedoch mit einem Mangel an Begeisterung, der mir das Herz wärmte.
»Das sagt man, Lady, ja.«
Wieder schwieg sie. Dann lehnte sie sich auf ihren Ellbogen zurück und beobachtete die Hände der Harfenistin, die geschickt über die Saiten flogen. Und ich beobachtete sie.
»Richtet Arthur aus«, sagte sie nach einer Weile und ohne mich anzusehen, »daß ich keinen Groll gegen ihn hege. Und richtet ihm noch etwas aus.« Unvermittelt hielt sie inne.
»Ja, Lady?« ermunterte ich sie.
»Richtet ihm aus, wenn er siegt«, sagte sie, wandte sich zu mir um, streckte ihre schlanke Hand über den Zwischenraum zwischen unseren Sofas und berührte meine Hand, um mir zu zeigen, wie wichtig ihre Worte waren, »wenn er siegt«, wiederholte sie, »werde ich ihn um seinen Schutz bitten.«
»Ich werde es ihm ausrichten, Lady«, versicherte ich und machte mit übervollem Herzen eine winzige Pause. »Und den meinen schwöre ich Euch ebenfalls, in allen Ehren.«
Sie ließ ihren Finger auf meiner Hand ruhen - eine Berührung, so hauchzart wie der Atem des schlafenden Prinzen. »Es könnte sein, daß ich Euch beim Wort nehme, Lord Derfel«, sagte sie und sah mir tief in die Augen.
»Mein Eid gilt bis ans Ende aller Zeiten und darüber hinaus, Lady.«
Sie lächelte, zog ihre Hand zurück und richtete sich auf. Als ich an jenem Abend das Bett aufsuchte, befand ich mich in einem Traumzustand aus Verwirrung, Hoffnung, Torheit, Besorgnis, Angst und Seligkeit. Denn genau wie Arthur hatte mich, als ich nach Caer Sws kam, unversehens der Blitzschlag der Liebe getroffen.
FÜNFTER TEIL
Der Schildwall
»Dann war sie es also!« sagte Igraine vorwurfsvoll. »Es war Prinzessin Ceinwyn, die Euer Blut in Rauch verwandelte, Bruder Derfel!«
»Ja, Lady, so ist es«, gab ich zu, und ich gestehe, daß mir bei der Erinnerung an Ceinwyn Tränen in die Augen traten. Aber vielleicht ist es ja auch das Wetter, das meine Augen tränen läßt, denn der Herbst ist nach Dinnewrac gekommen, und ein kalter Wind stiehlt sich durch mein Fenster herein. Bald muß
ich meine Geschichte unterbrechen, denn wir werden alle damit beschäftigt sein, die Vorräte für den Winter einzulagern und den Holzstapel aufzuschichten, den nicht zu verbrennen dem gesegneten heiligen Sansum gefallen wird, damit wir am Leiden unseres lieben Heilands teilhaben können.
»Kein Wunder, daß Ihr Lancelot so sehr haßt«, behauptete Igraine. »Ihr wart Rivalen. Wußte er, was Ihr für Ceinwyn empfandet?«
»Mit der Zeit«, antwortete ich, »ja.«
»Und was geschah?« fragte sie neugierig.
»Warum behandeln wir die Geschichte nicht in der richtigen
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