Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
tauchte und anschließend an ihr gesundes Auge preßte. Ich selbst drückte mir die Schuppenrüstung gegen die Rippen, bis ich Ceinwyns Brosche spürte, kniete nieder und küßte den Boden. Ich berührte den feuchten Boden mit der Stirn und flehte Mithras an, mir Kraft, Mut und - falls es sein Wille war - einen heldenhaften Tod zu schenken. Einige unserer Männer tranken den Met, den wir im Dorf gefunden hatten, ich aber trank nichts als Wasser. Wir vertilgten das Essen, von dem Valerins Männer gedacht hatten, es wäre ihr Frühstück, und dann halfen einige der Speerkämpfer Nimue, Kröten und Spitzmäuse zu fangen. Sie tötete die Tiere und legte sie auf der Straße hinter der Furt aus, damit die herannahenden Feinde auf ein paar unheilbringende Zeichen stießen. Anschließend schärften wir noch einmal unsere Waffen und warteten. Sagramor hatte einen Mann
aufgestöbert, der sich im Wald hinter dem Dorf versteckt hatte. Sagramor fragte den Mann, einen Schäfer, über das umliegende Gelände aus und erfuhr, daß es stromaufwärts eine weitere Furt gab, wo der Feind unsere Flanken umgehen konnte, wenn wir das Flußufer am nördlichen Talende zu verteidigen suchten. Die Existenz einer zweiten Furt konnte uns jetzt noch nicht beunruhigen, aber wir durften nicht vergessen, daß es sie gab.
Der bevorstehende Kampf bereitete mir Unbehagen, aber Nimue schien keine Angst zu haben. »Ich habe nichts zu fürchten«, erklärte sie mir. »Ich habe die drei Wunden erlitten, was also sollte mich noch verletzen können?« Wir saßen neben der Furt am nördlichen Ende des Tals. Hier sollte unsere erste Verteidigungslinie verlaufen, dies sollte der Platz sein, an dem wir unseren langsamen Rückzug begannen, um den Feind ins Tal und in Arthurs Falle zu locken. »Außerdem«, ergänzte sie, »stehe ich unter Merlins Schutz.«
»Weiß er, daß wir hier sind?« fragte ich sie.
Sie zögerte; dann nickte sie. »Er weiß es.«
»Wird er kommen?«
Sie krauste die Stirn, als wäre meine Frage eine Zumutung.
»Er wird tun, was er für nötig hält«, sagte sie dann bedächtig.
»Dann wird er kommen«, behauptete ich hoffnungsvoll. Nimue schüttelte ungeduldig den Kopf. »Merlins Sorge gilt allein Britannien. Er glaubt, daß Arthur ihm helfen kann, das geheime Wissen Britanniens wiederzuerlangen, doch wenn ihm plötzlich einfällt, daß Gorfyddyd ihm eine größere Hilfe sein könnte, dann, Derfel, glaube mir, wird Merlin sich mit Gorfyddyd verbünden.«
So ähnlich hatte sich Merlin mir gegenüber auf Caer Sws ausgedrückt, aber ich konnte immer noch nicht glauben, daß
seine Ziele so weit von meinen eigenen Hoffnungen und Treueiden entfernt sein könnten. »Und was ist mit dir?« fragte ich Nimue.
»Ich habe eine einzige Verpflichtung, die mich an dieses Heer bindet«, erklärte sie. »Danach kann ich Merlin helfen, wenn er es will.«
»Gundleus«, sagte ich.
Sie nickte. »Bring mir Gundleus - lebendig, Derfel«, sagte sie mit einem tiefen Blick in meine Augen. »Bring ihn mir lebend, ich bitte dich!« Mit den Fingern berührte sie ihre lederne Augenklappe und verstummte, während sie all ihre Kraft für die Vergeltung sammelte, nach der sie sich sehnte. Ihr Antlitz war noch immer knochenbleich, und das schwarze Haar hing glatt über ihre Wangen. Die Sanftmut, die ich am Lugnasafest an ihr erlebt hatte, war einer so eisigen Schärfe gewichen, daß
ich mich fragte, ob ich sie jemals verstehen würde. Ich liebte sie - nicht so, wie ich Ceinwyn zu lieben glaubte, sondern wie ein Mensch eine schöne wilde Kreatur lieben kann, einen Adler oder eine Wildkatze, und mir war klar, daß ich weder ihr Leben noch ihre Träume jemals wirklich begreifen würde. Plötzlich verzog sie das Gesicht. »Ich werde dafür sorgen, daß
Gundleus' Seele bis ans Ende aller Zeiten schreien wird«, sagte sie leise, »ich werde sie durch den Abgrund ins Nichts schicken, aber er wird das Nichts niemals erreichen, Derfel, sondern auf ewig schmerzschreiend an seinem Rand leiden müssen.«
Ich erschauerte für Gundleus.
Ein Ruf lenkte meinen Blick ans andere Flußufer. Dort kamen sechs Reiter auf uns zugaloppiert. Unser Schildwall stand fest, die Männer schoben die Arme in die Riemen ihrer Schilde, dann jedoch erkannte ich, daß sie von Morfans geführt wurden. Er ritt verzweifelt, spornte sein erschöpftes, schweißbedecktes Pferd immer wieder an, so daß ich schon fürchtete, daß diese sechs alles waren, was von Arthurs Truppe übriggeblieben war.
Als
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