Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
konnten.
»Heute«, sagte ich, »werden wir den Barden so viel Stoff zum Singen geben, daß es für tausend Jahre reicht! Und heute werden wir endlich wieder reich werden!«
Sie jubelten. So hoch wogten die Gefühle in diesem Schildwall, daß manche Männer vor Glück weinten. Heute weiß ich, daß es keine größere Freude gibt als die Freude, Jesus Christus zu dienen, aber wie sehr vermisse ich die Gesellschaft von Kriegern! Nichts trennte uns an jenem Morgen, und in uns wallte eine große Liebe füreinander auf, als wir da auf den Feind warteten. Wir waren Brüder, wir waren unbesiegbar, und selbst der wortkarge Sagramor hatte Tränen in den Augen. Ein Speerkämpfer stimmte den Kriegsgesang von Beli Mawr an, Britanniens großes Schlachtenlied, und bald stiegen die kräftigen Männerstimmen in instinktiver Harmonie am ganzen Schildwall entlang empor. Andere Männer tanzten über ihren Schwertern, machten in ihren Lederrüstungen hohe Sprünge, um die schwierigen Schritte zu beiden Seiten der Klingen auszuführen. Unsere Christen hatten beim Singen die Arme ausgebreitet, fast so, als wäre das Lied ein heidnisches Gebet an ihren eigenen Gott, während andere Männer im Takt der Musik mit den Speeren auf ihre Schilde schlugen.
Als wir noch davon sangen, wie wir das Blut unserer Feinde vergießen würden, tauchten diese Feinde plötzlich am Horizont auf. Trotzig sangen wir weiter, während eine Speertruppe nach der anderen erschien und auf den fernen Feldern unter den Königsbannern Aufstellung nahm, die hell im wolkenverhangenen Grau des Tages leuchteten. Wir sangen immer weiter, unser Gesang schwoll noch an, um Gorfyddyds Heer zu trotzen, dem Heer des Vaters der Frau, die zu lieben ich überzeugt war. Das war der Grund, warum ich kämpfte - nicht nur für Arthur, sondern weil ich nur durch einen Sieg den Weg nach Caer Sws zurückfinden würde, um Ceinwyn wiederzusehen. Ich konnte keinen Anspruch auf sie erheben und hegte auch keine Hoffnungen, denn ich war als Sklave geboren und sie als Prinzessin, doch irgendwie hatte ich an jenem Tag das Gefühl, als hätte ich mehr zu verlieren, als ich im ganzen Leben besessen hatte.
Es dauerte über eine Stunde, bis die schwerfällige Horde auf dem anderen Flußufer eine Kampflinie gebildet hatte. Der Fluß
konnte nur an der Furt überquert werden, und das bedeutete, daß wir Zeit zum Rückzug hatten, wenn es soweit war. Vorerst aber nahmen die Feinde wohl an, daß wir die Furt den ganzen Tag verteidigen wollten, denn sie massierten ihre besten Männer in der Mitte der Linie. Dort befand sich auch Gorfyddyd selbst, dessen Adlerbanner rote Flecken von der im Regen auslaufenden Farbe aufwies, so daß es aussah, als wäre es bereits in unser Blut getaucht worden. In der Mitte unserer Schlachtreihe, wo ich der Furt gegenüberstand, flatterten Arthurs Banner, der schwarze Bär und der rote Drache. Sagramor stand neben mir und zählte die Banner der Feinde. Gundleus' Fuchs war da zu sehen, das rote Roß von Elmet und mehrere andere, die wir nicht kannten.
»Sechshundert Mann?« schätzte Sagramor.
»Und weitere im Anmarsch«, ergänzte ich.
»Höchstwahrscheinlich.« Er spie zur Furt hinüber. »Und sie werden gesehen haben, daß Tewdrics Stier nicht dabei ist.«
Er schenkte mir sein seltenes Lächeln. »Dies wird eine Schlacht, die wir so leicht nicht vergessen werden, Lord Derfel.«
»Ich freue mich, daß Ihr mir dabei Gesellschaft leistet, Lord«, entgegnete ich inbrünstig, und das stimmte. Es gab keinen größeren Krieger als Sagramor, keinen, der von seinen Feinden so sehr gefürchtet wurde. Selbst Arthurs Gegenwart löste nicht ganz dieselbe Furcht aus wie das leidenschaftslose Antlitz und das grausame Schwert des Numidiers. Es war ein gebogenes Schwert fremdländischer Herkunft, und Sagramor schwang es mit schreckenerregender Geschwindigkeit. Einmal fragte ich Sagramor, warum er Arthur den Treueid geschworen habe. »Weil Arthur mir«, erklärte er mir knapp, »alles gab, als ich nichts hatte.«
Unsere Speerkämpfer hatten endlich aufgehört zu singen. Aus Gorfyddyds Heerscharen traten zwei Druiden vor. Da wir nur Nimue hatten, um ihre Zaubersprüche zunichte zu machen, watete sie durch die Furt den beiden Männern entgegen, die beide mit einem erhobenen Arm und einem geschlossenen Auge die Straße entlanggehüpft kamen. Die Druiden waren Iorweth, Gorfyddyds Zauberer, und Tanaburs in seinem langen, mit Monden und Hasen bestickten Gewand. Die beiden Männer tauschten
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