Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Gemach neben der großen Halle von Caer Cadarn unter Arrest gestellt. An diesem Abend gab es eine Art Festmahl, nur daß die Fleischportionen, weil sich so viele Menschen in der Burg aufhielten, recht klein geraten und viel zu hastig gekocht worden waren. Ein großer Teil der Nacht verging mit der Begrüßung alter Freunde und dem Austausch der neuesten Informationen über Britannien und Armorica, denn viele von Arthurs Anhängern stammten ursprünglich aus Dumnonia oder einem anderen britischen Königreich. Von all den Namen, die Arthurs Männer trugen, schwirrte mir bald der Kopf, denn es gehörten mehr als siebzig Berittene zu seiner Truppe, und außerdem gab es
Pferdeknechte, Knappen, Frauen und ein ganzes Rudel Kinder. Mit der Zeit sollten mir die Namen von Arthurs Kriegern geläufig werden, in jener Nacht aber bedeuteten sie mir nichts: Dagonet, Aglaval, Cei, Lanval, die Brüder Balan und Balin, Gawain und Agravain, Blaise, Illtyd, Eiddilig, Bedwyr. Leicht merken konnte ich mir Morfans, denn er war der häßlichste Mann, den ich jemals gesehen hatte - so häßlich, daß er schon wieder stolz auf sein verunstaltetes Aussehen war, auf seinen Kropf, die Hasenscharte und das mißgebildete Kinn. Außerdem fiel mir Sagramor auf, denn er war schwarz, und schwarze Männer hatte ich noch nie gesehen, ja nicht einmal an ihre Existenz geglaubt. Er war hochgewachsen, mager und mürrischlakonisch, doch wenn man ihn überreden konnte, in seinem Englisch mit dem grauenhaften Akzent eine Geschichte zu erzählen, konnte er eine ganze Halle in seinen Bann schlagen.
Und auch Ailleann fiel mir natürlich auf. Sie war schlank, schwarzhaarig, ein paar Jahre älter als Arthur, mit einem schmalen, ernsten und sanften Gesicht, das ihr den Ausdruck großer Weisheit verlieh. An jenem Abend war sie fürstlich herausgeputzt. Ihr Gewand war aus Leinen, das man mit Eisenerde rostrot gefärbt hatte. Es wurde von einer schweren Silberkette zusammengehalten und hatte lange, weite Ärmel, die am Saum mit Otterpelz besetzt waren. Sie trug einen glänzenden Torques aus schwerem Gold um den Hals, goldene Armreifen an den Handgelenken und eine emaillierte Brosche mit Arthurs Bärensymbol an der Brust. Sie bewegte sich graziös, sprach wenig und beobachtete Arthur fürsorglich. Ich dachte, sie müsse eine Königin oder mindestens eine Prinzessin sein, nur daß sie wie eine gemeine Dienerin Schüsseln mit Speisen und Krüge voll Met hereintrug.
»Ailleann ist eine Sklavin, Junge«, erklärte mir Morfans der Häßliche. Er hockte mir auf dem Fußboden der Halle gegenüber und hatte gesehen, wie aufmerksam ich die hochgewachsene Frau beobachtete, während sie sich aus dem Lichtschein der Feuer in die flackernden Schatten der Halle zurückzog.
»Wessen Sklavin?« wollte ich wissen.
»Was meinst du wohl?« gab er zurück und schob sich eine Schweinerippe in den Mund und benutzte seine zwei verbliebenen Zähne, um das saftige Fleisch vom Knochen zu ziehen. »Arthurs«, antwortete er, nachdem er den Knochen einem der zahlreichen Hunde in der Halle zugeworfen hatte.
»Und sie ist natürlich nicht nur seine Sklavin, sondern auch seine Geliebte.« Er rülpste und trank aus einem Methorn.
»König Budic, sein Schwager, hat sie ihm geschenkt. Das war vor langer Zeit. Sie ist ein gutes Stück älter als Arthur, und Budic hat bestimmt nicht gedacht, daß er sie lange behalten würde, aber wenn Arthur einmal Zuneigung zu einem Menschen gefaßt hat, dann scheint das für die Ewigkeit zu sein. Das da drüben sind seine Zwillingssöhne.« Mit seinem fettglänzenden Bart wies er zum Hintergrund der Halle, wo zwei mürrische Knaben von ungefähr neun Jahren mit ihren Essensschalen auf dem Boden hockten.
»Arthurs Söhne?« fragte ich.
»Was denn sonst«, antwortete Morfans verächtlich. »Amhar und Loholt heißen sie, und ihr Vater vergöttert sie. Nichts ist gut genug für diese kleinen Bastarde, und genau das sind sie, Junge - Bastarde. Echte Taugenichtse von Bastarden.« Aus seinem Ton sprach unverhohlener Haß. »Ich sage dir, Junge, Arthur ap Uther ist ein großartiger Mann. Er ist der beste Soldat, den ich jemals kennengelernt habe, der großzügigste Mensch und der gerechteste Lord, aber wenn es um den Nachwuchs geht - das könnt' ich besser mit 'ner Sau als Mutter.«
Wieder blickte ich zu Ailleann hinüber. »Sind die beiden vermählt?«
Morfans lachte. »Natürlich nicht! Aber vergiß nicht, sie hat ihn während der letzten zehn Jahre glücklich
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