Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
das war nicht nötig, denn ich sog seine Worte gierig auf. Ich hatte davon geträumt, Soldat zu werden, weil Krieger einen hohen Status besaßen und weil ich es immer für erstrebenswerter gehalten hatte, einen Speer zu tragen als einen Rechen; hinausgedacht über diesen selbstsüchtigen Wunsch hatte ich jedoch nie. Arthur dagegen hatte weit darüber hinausgedacht und brachte eine klare Vorstellung, wohin sein Schwert und sein Speer ihn führen sollten, nach Dumnonia mit.
»Wir haben die Chance« - beim Sprechen lehnte sich Arthur an die hohe Brustwehr - »ein Dumnonia zu schaffen, in dem wir unserem Volk dienen können. Wir können den Menschen kein Glück schenken, und ich weiß nicht, wie ich ihnen eine gute Ernte garantieren soll, durch die sie reich werden; aber ich weiß, daß wir ihnen Sicherheit bieten können. Ein Mann, der sich sicher fühlt, ein Mann, der weiß, daß seine Kinder aufwachsen werden, ohne als Sklaven entführt zu werden, und daß der Brautpreis seiner Tochter nicht aufgrund der Vergewaltigung durch einen Soldaten ruiniert wird, ein solcher Mann wird weitaus wahrscheinlicher glücklich als ein Mann, der ständig die Gefahr eines Krieges vor Augen hat. Ist das richtig?«
»Ja, Lord«, gab ich zurück.
Vor Kälte rieb er sich die behandschuhten Hände. Meine Hände waren mit Lumpen umwickelt, so daß es mir schwerfiel, den Speer richtig zu fassen, vor allem, weil ich außerdem bestrebt war, sie unter meinem Mantel warm zu halten. Hinter uns in der Festhalle brandete rauhes Männergelächter auf. Das Essen war so schlecht gewesen wie bei jedem Festmahl im Winter, aber es hatte viel Met und Wein gegeben. Arthur war jedoch genauso nüchtern wie ich. Während er westwärts zu den sich auftürmenden Wolken hinübersah, betrachtete ich sein Profil. Der Mond überschattete seine hohlen Wangen, so daß sein Gesicht noch knochiger wirkte als sonst. »Ich hasse den Krieg«, sagte Arthur plötzlich.
»Wirklich?« Ich war erstaunt, aber ich war schließlich noch jung genug, den Krieg zu genießen.
»Selbstverständlich!« Er lächelte mir zu. »Zufällig bin ich gut in diesem Handwerk, du möglicherweise auch, und gerade das bedeutet, daß wir das weise einsetzen müssen. Weißt du, was im letzten Herbst in Gwent geschehen ist?«
»Ihr habt Gorfyddyd verwundet«, antwortete ich eifrig. »Ihr habt ihm den Arm abgeschlagen.«
»Das stimmt«, sage er fast so, als überraschte ihn das. »In bergigem Gelände sind meine Pferde kaum zu gebrauchen, in waldigem überhaupt nicht, deswegen bin ich mit ihnen nordwärts ins flache Farmland von Powys gezogen. Da Gorfyddyd versuchte, Tewdrics Wälle niederzureißen, begann ich Gorfyddyds Heuschober und Getreidespeicher
niederzubrennen. Wir brandschatzten, wir töteten. Wir machten unsere Sache gut - nicht weil wir das wollten, sondern weil es getan werden mußte. Und es klappte. Ich lockte Gorfyddyd von Tewdrics Wällen fort und weit ins Bauernland hinaus, wo meine Pferde ihn vernichten konnten. Was sie auch taten. Bei Tagesanbruch griffen wir an; er wehrte sich gut, doch er verlor die Schlacht mitsamt seinem linken Arm, und das, Derfel, beendete das Töten. Es hatte seinen Zweck erfüllt, verstehst du? Der Zweck des Tötens war es, Powys davon zu überzeugen, daß es besser sei, mit Dumnonia im Frieden zu leben als im Krieg. Und nun wird endlich Frieden herrschen.«
»Wirklich?« fragte ich ein wenig zweifelnd. Die meisten von uns waren der Ansicht, die Frühlingsschmelze könne nur einen neuen Angriff von Powys' erbittertem König Gorfyddyd bringen.
»Gorfyddyds Sohn ist ein vernünftiger Mann«, sagte Arthur.
»Sein Name ist Cuneglas, und er will Frieden. Wir müssen Prinz Cuneglas Zeit geben, damit er seinen Vater überzeugen kann, daß er noch mehr verlieren wird als seinen Arm, wenn er wieder gegen uns in den Krieg zieht. Sobald Gorfyddyd überzeugt ist, daß Frieden besser ist als Krieg, wird er einen Rat einberufen, und wir werden alle hingehen und viel Lärm machen, und am Ende, Derfel, werde ich Gorfyddyds Tochter Ceinwyn heiraten.« Er warf mir einen kurzen und leicht verlegenen Blick zu. »Seren wird sie genannt, der Stern! Der Stern von Powys. Wie es heißt, soll sie sehr schön sein.«
Diese Vorstellung erfreute ihn offenbar, was mich ein wenig verwunderte, aber damals hatte ich noch nicht entdeckt, wie eitel Arthur war. »Hoffen wir, daß sie so schön ist wie ein Stern«, fuhr er fort, »aber ob sie nun schön ist oder nicht, ich werde sie
Weitere Kostenlose Bücher