Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
sie immer fröhlich war, und irgendwie hatte sich diese Angewohnheit des Fröhlichseins tief in ihre Seele hineingegraben; jetzt aber vermochte sie ihren Kummer nicht zu verbergen. »Du hättest sterben können!« klagte sie. Da ich nicht wußte, was ich dazu sagen sollte, hockte ich mich einfach neben sie, riß eine Handvoll Grashalme aus und rieb damit das Blut von Hywelbanes Klinge. Ceinwyn musterte mich stirnrunzelnd. »Haben sie diese Kinder getötet?«
»Ja«, antwortete ich.
»Wer waren sie?«
Ich zuckte die Achseln. »Wer weiß? Einfach Kinder, die bei einem Überfall gefangengenommen wurden.«
Ceinwyn seufzte und strich über Morwennas Blondhaar. »Mußtest du kämpfen?«
»Meinst du, ich hätte Issa schicken sollen?«
»Nein«, räumte sie ein.
»Nun also«, gab ich zurück, »dann mußte ich kämpfen.« In Wahrheit hatte ich Freude an dem Kampf gehabt. Nur ein Narr wünscht sich den Krieg, aber sobald ein Krieg ausbricht, darf er nicht halbherzig geführt werden. Ja, nicht einmal mit Bedauern darf er geführt werden, sondern mit wilder Freude am Sieg über den Feind, und diese wilde Freude ist es, die unsere Barden dazu inspiriert, ihre großartigen Gesänge über Liebe und Krieg zu schreiben. Wir Krieger kleideten uns für die Schlacht, wie wir uns für die Liebe kleideten, kleideten uns auffallend, trugen all unser Gold, schmückten unsere silberverzierten Helme mit Wappen, stolzierten einher, prahlten, und wenn die todbringenden Klingen kamen, fühlten wir uns, als flösse das Blut der Götter durch unsere Adern. Jeder Mann sollte den Frieden lieben, doch wenn er nicht mit ganzem Herzen kämpfen kann, wird er nie Frieden haben.
»Was hätten wir nur getan, wenn du gestorben wärst?« erkundigte sich Ceinwyn, die zusah, wie ich Wulfgers kostbare Beinschienen über meine eigenen Stiefel schnallte.
»Ihr hättet mich verbrannt, mein Liebling«, antwortete ich, »und meine Seele zu Dian geschickt.« Ich küßte sie, dann ging ich mit der goldenen Kette zu Guinevere, die sich über das Geschenk freute. Mit der Freiheit hatte sie auch allen Schmuck verloren, und obwohl sie für die wuchtigen Goldschmiedearbeiten der Sachsen nicht sehr viel übrig hatte, legte sie sich die Kette um den Hals.
»Ich habe den Kampf sehr genossen«, erklärte sie, während sie die Goldplättchen ordnete. »Ich möchte, daß Ihr mich ein wenig Sächsisch lehrt, Derfel.«
»Aber gern.«
»Beleidigungen. Ich möchte sie kränken.« Sie lachte auf. »Grobe Beleidigungen, Derfel, die gröbsten, die Ihr kennt.«
Und es gab zahlreiche Sachsen, die Guinevere beleidigen konnte, denn immer mehr feindliche Speerkämpfer kamen ins Tal geströmt. Meine Männer an der Südecke riefen Warnungen zu mir herüber. Ich ging zu ihnen, stellte mich unter unseren zwei Bannern auf den Wall und sah, daß sich zwei lange Reihen von Speerkämpfern über die östlichen Hügel in die Flußauen wanden. »Das hat vor ein paar Augenblicken begonnen«, berichtete mir Eachern. »Und jetzt ist kein Ende mehr abzusehen.«
Er hatte recht. Dies war keine Kriegshorde, die einfach kämpfen wollte, sondern ein Heer, ein ganzes Volk, das auf dem Marsch war. Männer, Frauen, Tiere und Kinder – alle kamen sie von den östlichen Hügeln ins Tal von Aquae Sulis herab. Die Speerkämpfer marschierten in ihren langen Kolonnen, doch zwischen den Kolonnen kamen die Rinder-und die Schafherden, die Scharen von Frauen und Kindern. Reiter ritten schützend auf den Flanken, während andere Reiter sich um die beiden Feldzeichen scharten, welche die Ankunft der Sachsenkönige anzeigten. Nein, dies war keineswegs ein Heer, sondern es waren zwei, die vereinten Streitkräfte von Cerdic und Aelle, und statt sich Arthur im Themsetal zu stellen, waren sie hierher gekommen, zu mir, und ihre Klingen waren so zahlreich wie die Sterne der Milchstraße am Himmel. Eine Stunde lang beobachtete ich sie und stellte fest, daß Eachern recht hatte: Es war kein Ende abzusehen. Also berührte ich die Knochensplitter in Hywelbanes Heft, denn ich wußte, wußte mit größerer Gewißheit denn jemals zuvor, daß wir dem Untergang geweiht waren. In jener Nacht glichen die Lichter der Sachsenfeuer einem Sternbild, das ins Tal von Aquae Sulis gefallen war: Eine leuchtende Spur von Lagerfeuern, die bis tief in den Süden und weit nach Westen reichte und uns zeigte, wo die Lager der Feinde dem Flußlauf folgten. Weitere Feuer brannten auf den östlichen Hügeln, wo die Nachhut der Sachsenhorde auf
Weitere Kostenlose Bücher