Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
er knapp seinen Begleiter vor. »Er ist so eine Art Barde aus Powys.«
Ich musterte den berühmten Barden und sah einen jungen Mann mit auffallend intelligentem Gesicht. Er hatte sich den vorderen Teil des Schädels kahlrasiert wie ein Druide, trug einen kurzen schwarzen Bart, hatte ein langes Kinn, eingesunkene Wangen und eine schmale Nase. Seine kahlrasierte Stirn war mit einem feinen Silberreif geschmückt. Lächelnd neigte er den Kopf. »Euer Ruhm eilt Euch voraus, Lord Derfel.«
»So wie Euch der Eure«, gab ich zurück.
»O nein!« stöhnte Merlin. »Wenn ihr beiden euch gegenseitig in den Hintern kriechen wollt, geht bitte woanders hin. Derfel kämpft«, wandte er sich an Taliesin, »weil er niemals richtig erwachsen wurde, und Ihr seid berühmt, weil Ihr zufällig eine passable Stimme besitzt.«
»Ich schreibe Lieder und singe sie«, erklärte Taliesin bescheiden.
»Jeder Mann kann ein Lied machen, er muß nur genügend getrunken haben«, behauptete Merlin wegwerfend. Dann musterte er mich eingehend. »Ist das da Blut in deinen Haaren?«
»Ja, Lord.«
»Du solltest dankbar sein, daß du nicht an einer heikleren Stelle verwundet wurdest.« Er lachte über die eigene Bemerkung; dann deutete er auf die Schwarzschilde. »Was hältst du von meiner Leibwache?«
»Sie tanzen recht gut.«
»Sie haben auch guten Grund zu tanzen. Welch ein
zufriedenstellender Tag!« sagte Merlin. »Und hat Gawain seine Rolle nicht großartig gespielt? Es ist so angenehm, wenn ein Schwachkopf sich doch noch als nützlich erweist, und was für ein Schwachkopf war dieser Gawain! Ein Langweiler! Ständig wollte er die Welt verbessern. Warum glauben die jungen Leute immer, alles besser zu wissen als die alten? Ihr, Taliesin, krankt zum Glück nicht an diesem ermüdenden Irrtum. Taliesin«, erklärte Merlin nun wieder mir, »ist gekommen, um von meiner Weisheit zu lernen.«
»Ich habe noch sehr viel zu lernen«, sagte Taliesin leise.
»Sehr wahr, sehr wahr«, antwortete Merlin. Er schob mir einen Krug mit Ale hinüber. »Hat dir deine kleine Schlacht Spaß gemacht, Derfel?«
»Nein.« In Wahrheit fühlte ich mich seltsam niedergeschlagen.
»Cuneglas ist tot«, erklärte ich ihm.
»Hab’ ich gehört«, gab Merlin zurück. »Was für ein Narr! Er hätte die Heldentaten Schwachköpfen wie dir überlassen sollen. Aber es ist ein Jammer, daß er sterben mußte. Er war nicht gerade ein kluger Mann, nicht das, was ich klug nennen würde, aber er war auch kein Schwachkopf, und das gibt es in diesen traurigen Zeiten selten genug. Und er war immer nett zu mir.«
»Zu mir war er die Freundlichkeit in Person«, warf Taliesin ein.
»Und jetzt müßt Ihr Euch einen neuen Gönner suchen«, erklärte Merlin dem Barden, »aber Derfel braucht Ihr dabei nicht anzusehen. Der würde ein anständiges Lied nicht vom Furz eines Ochsen zu unterscheiden wissen. Der Trick eines erfolgreichen Lebens«, belehrte er nun Taliesin, »ist es, als Kind reicher Eltern geboren zu werden. Ich selbst habe sehr bequem von meinen Pachtgeldern leben können, obwohl ich sie, wenn ich recht bedenke, seit Jahren nicht mehr eingetrieben habe. Hast du mir jemals Pachtgeld bezahlt, Derfel?«
»Das hätte ich tun sollen, Lord, aber ich wußte nie, wohin ich es schicken sollte.«
»Spielt jetzt auch keine Rolle mehr« behauptete Merlin. »Ich bin inzwischen alt und schwach, und zweifellos werde ich bald sterben.«
»Unsinn!« widersprach ich. »Ihr seht noch immer recht kräftig aus.«
Er wirkte natürlich alt, in seinen Augen funkelte jedoch der Mutwille, und sein uraltes, von Falten durchzogenes Gesicht war äußerst lebendig. Seine Haare und sein Bart waren sorgfältig geflochten und mit schwarzen Bändern versehen, während sein Gewand bis auf die getrockneten Blutflecken makellos sauber war. Außerdem war er glücklich – nicht, weil wir den Sieg errungen hatten, sondern weil er, wie ich glaube, Taliesins Gesellschaft genoß.
»Siege verleihen Lebenskraft«, erklärte er wegwerfend, »aber den Sieg werden wir bald vergessen haben. Wo ist Arthur?«
»Das weiß niemand«, antwortete ich. »Wie ich gehört habe, hat er viel Zeit mit Tewdric verbracht. Jetzt aber ist er nicht mehr bei ihm. Ich glaube, er hat Guinevere gefunden.«
Merlin lachte höhnisch. »Ein Hund kehrt immer zu seiner Kotze zurück.«
»Ich beginne sie zu mögen«, sagte ich trotzig.
»Kann ich mir vorstellen«, sagte er verächtlich. »Und ich möchte meinen, daß sie von jetzt an keinen
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