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Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur

Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur

Titel: Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wieder andere hatten Zuckungen. Ich sah Hälse mit Kröpfen, blinde Augen, Hasenscharten, wirres Haargestrüpp und mißgebildete Glieder. »Was sind das für Leute?« erkundigte ich mich bei Olwen.
    »Das ist das Heer der Wahnsinnigen, Lord«, antwortete sie. Um das Unheil abzuwenden, spie ich in Richtung See. Doch diese armen Leute waren nicht alle wahnsinnig oder verkrüppelt, denn einige von ihnen waren Speerkämpfer, und ein paar hatten, wie ich bemerkte, Schilde, die mit Menschenhaut überzogen und mit Menschenblut geschwärzt waren: die Schilde von Diwrnachs besiegten Blutschilden. Andere trugen den Adler von Powys auf ihren Schilden, und ein Mann sogar den Fuchs von Siluria, ein Emblem, das seit Gundleus’ Zeiten nicht mehr in einer Schlacht gesehen worden war. Diese Männer waren, genau wie Mordreds Heer, der Abschaum Britanniens: besiegte Männer, landlose Männer, Männer, die nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hatten. Das Tal stank nach menschlichem Müll. Es erinnerte mich an die Insel der Toten, jenen Ort, an den Dumnonia seine unheilbar Wahnsinnigen schickte und an den ich mich einst gewagt hatte, um Nimue zu retten. Die Leute hier hatten den gleichen wilden Ausdruck und vermittelten den gleichen beunruhigenden Eindruck wie jene: den Eindruck, daß sie jeden Moment ohne Anlaß aufspringen und mit ihren Klauen zuschlagen konnten.
    »Wie ernährt ihr all diese Menschen?« wollte ich wissen.
    »Die Soldaten besorgen uns etwas zu essen«, antwortet Olwen, »die richtigen Soldaten. Wir essen viel Hammel. Ich mag Hammel. Da sind wir schon, Lord. Ende der Reise!« Mit diesen fröhlichen Worten löste sie ihre Hand aus der meinen und hüpfte vor mir her. Wir hatten das Ende des Sees erreicht, und nun lag ein Hain mächtiger Bäume vor mir, der sich bis in den Schutz eines hohen Felsens hineinzog. Unter den Bäumen brannten ein Dutzend Feuer, und wie ich erkannte, bildeten die Baumstämme zwei gerade Reihen, so daß der Hain einer weiten Halle glich. Am anderen Ende dieser Halle standen zwei hoch aufragende graue Steine ähnlich den Felsblöcken, die von den Alten errichtet worden waren, obwohl ich nicht sagen konnte, ob dies Steine der Alten waren oder ob man sie jüngst erst aufgestellt hatte. Zwischen den Steinen, in einem schweren Holzsessel, thronte Nimue mit Merlins schwarzem Stab in der Hand. Olwen eilte auf sie zu, warf sich Nimue zu Füßen, umarmte Nimues Beine und barg den Kopf auf Nimues Knien. »Ich habe ihn hergebracht, Lady!« verkündete sie.
    »Hat er dir beigelegen?« fragte Nimue, die ihre Frage an Olwen richtete, mich dabei aber durchdringend musterte. Zwei Totenschädel krönten die stehenden Steine, jeder dick mit geschmolzenem Wachs bedeckt.
    »Nein, Lady«, berichtete Olwen.
    »Hast du ihn dazu aufgefordert?« Noch immer starrte mich Nimues Auge an.
    »Ja, Lady.«
    »Hast du dich ihm gezeigt?«
    »Den ganzen Tag habe ich mich ihm gezeigt, Lady.«
    »Braves Mädchen«, lobte Nimue und tätschelte Olwen den Kopf. Dabei konnte ich mir fast vorstellen, wie das Mädchen zufrieden schnurrte, so wohlig lag sie zu Nimues Füßen. Nimue starrte mich immer noch an, und ich schritt zwischen diesen hochaufragenden, vom Feuer beleuchteten Baumstämmen einher und erwiderte ihren durchdringenden Blick.
    Nimue sah aus, wie sie ausgesehen hatte, als ich sie von der Insel der Toten zurückholte. Sie wirkte, als hätte sie sich seit Jahren nicht mehr gewaschen, nicht mehr gekämmt und nicht mehr gepflegt. Ihre leere Augenhöhle war weder von einer Klappe bedeckt noch mit einem falschen Auge ausgefüllt, sondern lag wie eine eingeschrumpfte Narbe in ihrem hageren Gesicht. Ihre Haut war voll Schmutz, ihre Haare waren eine fettige, verfilzte Masse, die ihr bis zur Taille hinunterfiel. Früher einmal waren ihre Haare schwarz gewesen, jetzt waren sie knochenweiß
    – bis auf eine einzige schwarze Strähne. Ihr weißes Gewand war verschmutzt; darüber trug sie einen unförmigen, viel zu großen Mantel mit Ärmeln, der, wie mir unvermittelt einfiel, der Mantel von Padarn und damit eins der Kleinodien von Britannien sein mußte, während an einem Finger ihrer linken Hand der schlichte Eisenring von Eluned steckte. Ihre Nägel waren lang, ihre wenigen Zähne schwarz. Sie wirkte viel älter, aber vielleicht betonte ja auch nur der Schmutz die grimmigen Linien ihrer Züge. Sie war nie das gewesen, was die Welt als schön bezeichnete, doch ihr Gesicht hatte eine scharfe Intelligenz besessen, und das hatte sie

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