Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Asche von der Lehmfigur, zupfte die Beeren heraus und nahm die Amulette herunter, mit denen der Körper besteckt war. »Morgen früh«, sagte Nimue, »werde ich sie wieder anbringen.«
»Nein!«
»Nun, nicht alle«, räumte sie ein, »aber jeden Tag ein paar mehr, bis ich höre, daß du dorthin kommst, wo sich die Wasser bei Nant Dduu treffen.« Sie pflückte ein verbranntes Knochenstückchen von dem Lehmkörper. »Und wenn ich das Schwert habe«, fuhr sie fort, »wird mein Heer der Wahnsinnigen so große Feuer entzünden, daß sie die Nacht des Abends vor Samhain zum Tag werden lassen. Und Gwydre wird zu dir zurückkehren, Derfel. Er wird im Kessel ruhen, und die Götter werden ihn ins Leben zurückküssen, Olwen wird ihm beiliegen, und er wird, Excalibur in seiner Hand, in aller Glorie weiterreiten.« Sie nahm einen Krug Wasser zur Hand, goß ein wenig davon auf die Stirn der Figur und massierte es sanft in den glänzenden Lehm. »Geh jetzt«, wies sie mich an. »Deine Ceinwyn wird schlafen, aber Olwen hat dir noch etwas anderes zu zeigen. Bei Morgengrauen werdet ihr beiden aufbrechen.«
Ich stolperte hinter Olwen her, die uns den Weg durch die grinsende Masse der grausigen Kreaturen bahnte, von der die Höhle umdrängt wurde, und folgte dem tanzenden Mädchen an der Felswand entlang zu einer anderen Höhle, in der ich eine zweite Lehmfigur entdeckte, dieses Mal jedoch einen Mann. Olwen zeigte auf ihn und kicherte. »Bin ich das?« fragte ich sie, denn der Lehm war glatt und ungenarbt; doch als ich mich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatte, entdeckte ich, daß
dem Lehmmann die Augen herausgerissen worden waren.
»Nein, Lord«, antwortete Olwen, »das seid nicht Ihr.« Sie beugte sich über die Figur und griff nach einer langen Knochennadel, die neben den Lehmbeinen lag. »Seht nur«, sagte sie und stieß der Figur die Nadel in den Fuß. Irgendwo hinter uns schrie ein Mann vor Schmerzen auf. Olwen kicherte. »Noch einmal«, sagte sie, stieß die Nadel in den anderen Fuß, und wieder schrie die Stimme vor Schmerzen auf. Olwen lachte; dann griff sie nach meiner Hand. »Kommt«, sagte sie und führte mich in eine tiefe Spalte in der Felswand. Die Spalte wurde schmaler und schien vor uns auf einmal abrupt zu enden, denn ich vermochte nur noch den matten Widerschein des Feuerlichts auf der hohen Felswand zu sehen; doch dann entdeckte ich, daß am Ende der Schlucht eine Art Käfig gebaut worden war. Die Stämme von zwei großen Schwarzdornbäumen, die dort standen, waren durch roh behauene Bretter miteinander verbunden worden, so daß eine Art primitives Gitter entstand. Olwen ließ meine Hand los und stieß mich vorwärts. »Morgen früh werde ich Euch holen kommen, Lord. Dann gibt es ein wenig zu essen für Euch.« Sie lächelte, machte kehrt und lief davon. Anfangs hielt ich diesen primitiven Käfig für eine Art Unterstand, doch als ich näher heranging, um einen Eingang zwischen den Gitterstäben zu suchen, fand ich nichts, was einer Tür ähnelte. Der Käfig versperrte die letzten paar Meter der Schlucht, und das versprochene Essen wartete unter einem der Schwarzdornbäume. Ich fand altes Brot, gedörrtes Hammelfleisch und einen Krug Wasser. Ich setzte mich, brach das Brot, und plötzlich rührte sich etwas in dem Käfig. Erschrocken fuhr ich herum, als irgendein Wesen auf mich zugekrochen kam. Anfangs hielt ich das Wesen für ein Tier, dann entdeckte ich, daß es ein Mann war, und schließlich erkannte ich Merlin.
»Ich werde fügsam sein«, sagte Merlin zu mir, »ich werde fügsam sein.« Da begriff ich, was die zweite Lehmfigur bedeutete, denn Merlin war blind. Er hatte keine Augen mehr. Nur noch zwei grausige Höhlen.
»Dornen in meinen Füßen«, sagte er, »in meinen Füßen …« Dann brach er hinter den Gitterstangen zusammen und wimmerte. »Ich werde fügsam sein, bestimmt!«
Ich hockte mich nieder. »Merlin?« fragte ich.
Er erschauerte. »Ich werde fügsam sein!« wiederholte er verzweifelt, und als ich eine Hand durch die Gitterstangen schob, um seine verfilzten, verdreckten Haare zu streicheln, zuckte er zurück und begann zu zittern.
»Merlin?« fragte ich abermals.
»Blut im Lehm«, sagte er, »Du mußt Blut in den Lehm mischen. Gut vermischen. Kinderblut wirkt am besten, habe ich jedenfalls gehört. Ich selbst habe das nie gemacht, meine Liebe. Tanaburs hat es gemacht, das weiß ich, weil ich einmal mit ihm darüber gesprochen habe. Er war natürlich ein Schwachkopf, aber er kannte
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