Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
ebenfalls die Höhle betrat. Nimue ließ sofort das Messer los und hielt zwei Finger über die Lehmaugen. »Soll ich sie blenden, Derfel?«
zischelte sie mir zu. »Ist es das, was du willst?«
»Warum tust du das?« fragte ich sie.
Sie zog den Dolch von Laufrodedd aus dem gemarterten Lehmschädel. »Lassen wir sie schlafen«, sagte sie. »Oder vielleicht auch nicht?« Sie stieß ein wahnsinniges Lachen aus, nahm eine Eisenkelle aus dem Korb von Garanhir, holte ein paar glühende Holzstückchen aus dem rauchenden Feuer und verstreute sie über den Lehmkörper, während ich mir vorstellte, wie Ceinwyn aufschrie und sich wand, wie sie den Körper unter dem plötzlichen Schmerz durchbog. Nimue lachte über meine hilflose Wut. »Warum ich das tue?« fragte sie. »Weil du mich daran gehindert hast, Gwydre zu töten. Und weil du die Götter der Erde zurückholen kannst. Darum.«
Ich starrte sie an. »Du bist ebenfalls wahnsinnig«, sagte ich leise.
»Was weißt du denn schon von Wahnsinn?« Nimue spie mich an.
»Du und dein kleiner Verstand, dein erbärmlicher, kleiner Verstand!
Glaubst du, du könntest über mich richten? O Schmerz!« Sie stieß das Messer in die Lehmbrüste. »Schmerz! Schmerz!« Die
Wahnsinnskreaturen hinter mir stimmten in ihr Geschrei ein. »Schmerz!
Schmerz!« johlten sie. Einige klatschten dabei in die Hände, andere lachten laut vor Freude.
»Aufhören!« schrie ich.
Mit gezücktem Dolch kauerte Nimue über der gemarterten Figur.
»Willst du sie zurück, Derfel?«
»Ja!« Ich war den Tränen nahe.
»Ist sie das Kostbarste in deinem Leben?«
»Du weißt, daß es so ist.«
»Würdest du lieber dem da« – sie zeigte auf die groteske Lehmfigur –
»beiliegen als Olwen?«
»Ich werde keiner Frau beiliegen außer Ceinwyn«, erklärte ich.
»Dann werde ich sie dir zurückgeben«, sagte Nimue und strich der Lehmfigur sanft über die Stirn. »Ich werde dir deine Ceinwyn zurückgeben«, versicherte Nimue. »Aber zuvor mußt du mir das geben, was für mich das Kostbarste im Leben ist. Das ist mein Preis.«
»Und was ist für dich das Kostbarste?« erkundigte ich mich, obwohl ich die Antwort kannte, bevor sie sie mir gab.
»Du mußt mir Excalibur bringen, Derfel«, sagte Nimue. »Und du mußt mir Gwydre bringen.«
»Warum Gwydre?« wollte ich wissen. »Er ist nicht der Sohn eines Herrschers.«
»Weil er den Göttern versprochen war und weil die Götter das fordern, was ihnen versprochen wurde. Du mußt ihn mir vor dem nächsten Vollmond bringen. Du wirst mit Gwydre und dem Schwert dorthin kommen, wo sich die Wasser unterhalb von Nant Dduu treffen. Kennst du den Ort?«
»Ich kenne ihn«, antwortete ich grimmig.
»Und wenn du diese beiden nicht mitbringst, Derfel, dann schwöre ich dir, daß Ceinwyns Qualen noch verstärkt werden. Ich werde ihr Würmer in den Bauch schicken, ich werde ihre Augen zu Wasser werden lassen, ich werde dafür sorgen, daß sich ihre Haut abschält und ihr das Fleisch auf den zerfallenden Knochen fault, und so sehr sie auch um den Tod flehen wird, werde ich ihn ihr nicht gewähren, sondern ihr nur noch mehr Qualen schicken. Nichts als Qualen.« Am liebsten wäre ich vorwärtsgestürzt, um Nimue an Ort und Stelle umzubringen. Früher war sie meine Freundin gewesen, und einmal sogar meine Geliebte, nun hatte sie sich zu weit von mir entfernt. Sie befand sich in einer Welt, wo die Geister real werden und das Reale nur Spielwerk. »Bring mir Gwydre, und bring mir Excalibur«, fuhr Nimue fort, deren Auge im Dämmerlicht der Höhle glitzerte, »und ich werde Ceinwyn von ihrem Anderkörper und dich von deinem Eid für mich befreien, und außerdem werde ich dir zweierlei geben.« Sie griff hinter sich und holte ein Stück Tuch hervor. Als sie es entfaltete, erkannte ich den alten Mantel, der mir in Isca gestohlen worden war. Sie fingerte in dem Mantel herum und holte etwas heraus, was sie zwischen Zeigefinger und Daumen emporhielt. Wie ich sah, war es der einzige, fehlende Achatstein aus Ceinwyns Ring. »Ein Schwert und ein Opfer gegen einen Mantel und einen Stein«, sagte sie. »Wirst du es tun, Derfel?« fragte sie mich.
»Ja«, sagte ich, ohne es ernst zu meinen, aber ich wußte nicht, was ich sonst sagen sollte. »Würdest du mich jetzt hier mit ihr allein lassen?«
bat ich sie.
»Nein«, antwortete Nimue lächelnd. »Aber wenn du möchtest, daß sie heute nacht Ruhe findet, werde ich sie ihr gewähren – nur für diese eine Nacht, Derfel.« Sie blies die
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