Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Caddwgs Boot konnte vielleicht zwanzig Personen retten, mit Sicherheit aber keine einzige Seele mehr. »Wir könnten ans andere Ufer schwimmen, Lord«, behauptete er und blickte zum Ostufer der Fahrrinne hinüber, die sich hier tief und schnell um die Spitze der sandigen Landzunge zog. »Jene von uns, die schwimmen können«, ergänzte er.
»Könnt Ihr schwimmen?«
»Es ist nie zu spät, etwas zu lernen«, sagte Sagramor. Dann spie er aus. »Außerdem sind wir ja noch nicht tot.«
Geschlagen waren wir auch noch nicht, und jede Minute, die verging, brachte uns der Rettung näher. Wie ich erkannte, trugen Caddwgs Männer das Segel zur Prydwen, die schräg am Saum des Wassers lag. Ihr Mast stand nun senkrecht, aber noch waren die Männer damit beschäftigt, die Leinen von der Mastspitze zu takeln. In ein bis zwei Stunden würden die Gezeiten wechseln, und dann würden sie wieder schwimmen und für die große Fahrt bereit sein. Wir mußten nur noch bis zum Spätnachmittag warten. Inzwischen beschäftigten wir uns damit, aus dem Treibholz ein riesiges Totenfeuer aufzuhäufen, und als es brannte, legten wir unsere Toten in die Flammen. Ihre Haare loderten hell auf; dann kam der Geruch von verbranntem Fleisch. Immer mehr Holz warfen wir ins Feuer, bis es zu einem brüllenden, weißlodernden Inferno wurde.
»Vielleicht könnte ein Geisterzaun die Feinde aufhalten«, meinte Taliesin, nachdem er das Gebet für die Toten gesungen hatte, deren Seelen mit dem Rauch emporstiegen, um ihre Schattenkörper zu suchen. Ich hatte seit Jahren keinen Geisterzaun mehr gesehen, aber an jenem Tag bauten wir einen. Es war eine grausige Arbeit. Wir hatten sechsunddreißig tote Feinde, von denen wir allesamt die Köpfe abschlugen und diese auf die Spitzen der eroberten Feindesspeere steckten. Dann rammten wir die Speere quer über die Landzunge in den Boden, und Taliesin, gut zu erkennen in seinem weißen Gewand und mit einem Speerschaft in der Hand, so daß er einem Druiden ähnelte, ging von einem blutigen Kopf zum nächsten, damit die Feinde glaubten, er wirke einen mächtigen Zauber. Nur wenige Männer würden freiwillig einen Geisterzaun durchbrechen, solange nicht ein Druide den Zauber aufhob, also fühlten wir uns nach Fertigstellung des Zauns ein wenig sicherer. Wir nahmen eine frugale Mittagsmahlzeit ein, und ich erinnere mich, daß Arthur beim Essen wehmütig auf den Geisterzaun starrte.
»Von Isca zu dem hier«, sagte er leise.
»Von Mynydd Baddon zu dem hier«, berichtigte ich ihn. Er zuckte die Achseln. »Der arme Uther«, sagte er. Wahrscheinlich dachte er an den Eid, durch den Mordred zum König gemacht worden war, den Eid, der uns zu dieser sonnenwarmen Landzunge am Meer geführt hatte.
Mordreds Verstärkung kam am frühen Nachmittag. Die meisten kamen zu Fuß in einer endlosen Kolonne, die am Westufer des MeeresSees entlangstapfte. Über einhundert Mann zählten wir und wußten, daß
weitere folgen würden.
»Sie werden müde sein«, beruhigte Arthur uns. »Und außerdem haben wir den Geisterzaun.«
Doch nun hatten die Feinde einen Druiden mitgebracht. Mit der Verstärkung war Fergal gekommen, und eine Stunde nachdem wir die Kolonnen der Speerkämpfer entdeckt hatten, mußten wir zusehen, wie der Druide vorsichtig an den Zaun herankroch und die Nase wie ein Hund schnuppernd in die Salzluft hob. Er bewarf den ihm am nächsten stehenden Kopf mit Händen voll Sand, hüpfte eine Weile auf einem Bein, lief dann zu dem Speer hinüber und stieß ihn um. Als er den Zaun durchbrochen hatte, legte Fergal den Kopf zurück und stieß ein weit hallendes Triumphgeheul aus. Wir dagegen setzten die Helme auf, nahmen unsere Schilde und reichten einander die Schleifsteine weiter. Die Gezeiten hatten gewechselt, die ersten Fischerboote kehrten heim. Wir riefen sie an, als sie an der Landzunge vorbeikamen, aber die meisten ignorierten unsere Rufe, denn das gemeine Volk hatte nur allzuoft guten Grund, sich vor Speerkämpfern zu fürchten. Doch Galahad winkte mit einer Goldmünze und lockte damit tatsächlich ein Boot an, das sich behutsam näherte und auf dem Sand in der Nähe des lodernden Totenfeuers landete. Die beiden Fischer, die darin saßen –
beide mit tätowiertem Gesicht – erklärten sich bereit, Frauen und Kinder zu Caddwgs Boot überzusetzen, das inzwischen fast wieder im Wasser lag. Wir gaben den Fischern Gold, halfen den Frauen und Kindern ins Boot und schickten zu ihrem Schutz einen der verwundeten Speerkämpfer mit.
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