Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Blasentang gefüllt war. Ich berührte den Tang, leckte meinen Finger ab und schmeckte Salzwasser. Neben dem Korb stand ein großer, mit einem Stopfen versehener Tonkrug, und als ich den Stopfen herauszog, entdeckte ich, daß der Krug mit Meerwasser gefüllt war, vermutlich, um den Seetang feucht zu halten. Also wühlte ich in dem Seetangkorb und fand gleich unter der Oberfläche eine Schicht Muscheln. Diese Meersfrüchte hatten lange, schmale, elegante doppelseitige Schalen und sahen ein bißchen wie Miesmuscheln aus, aber sie waren größer als Miesmuscheln, und ihre Schalen waren grauweiß statt schwarz. Ich hob eine heraus und schnupperte daran, da ich vermutete, daß es sich nur um eine Delikatesse handelte, wie Merlin sie gern aß. Die Muschel, von meiner Berührung wohl nicht sehr angetan, öffnete sich ein wenig und spritzte mir eine Flüssigkeit auf die Hand. Ich legte sie in den Korb zurück und bedeckte die Schicht lebender Schalentiere wieder mit Seetang. Gerade wandte ich mich wieder der Außentür zu, um draußen zu warten, als mir etwas an meiner Hand auffiel. Sekundenlang starrte ich darauf und glaubte meinen Augen nicht zu trauen, doch in dem matten Licht, das durch die Außentür fiel, konnte ich mich nicht vergewissern; also schlüpfte ich wieder in den zweiten Raum, wo der große Kessel vor dem Altar wartete, und dort, im finstersten Teil des Mithrastempels, hob ich meine rechte Hand vor die Augen.
Und sah, daß sie tatsächlich leuchtete.
Ich war sprachlos. Ich wollte nicht glauben, was ich sah, aber meine Hand leuchtete! Sie leuchtete nicht von innen heraus, aber auf meiner Handfläche lag ganz zweifellos eine gewisse Helligkeit. Ich zog einen Finger durch den nassen Fleck, den die Muschel hinterlassen hatte, und zeichnete damit einen dunklen Streifen auf die schimmernde Fläche. Also war Olwen, die Silberne, doch keine Nymphe, keine Götterbotin gewesen, sondern ein Menschenmädchen, das mit dem Saft einer Muschel eingerieben worden war. Und die Magie kam nicht von den Göttern, sondern von Merlin, und all meine Hoffnungen schienen in dieser dunklen Kammer zu zerstieben.
Ich wischte mir die Hand am Mantel ab und kehrte dann ans Tageslicht zurück. Ich setzte mich auf die Bank neben der Tempeltür und blickte zum inneren Wall hinüber, wo eine Gruppe kleiner Kinder ausgelassen herumtobte. Plötzlich kehrte die Verzweiflung wieder zurück, die mich auf meiner Reise nach Lloegyr verfolgt hatte. Ich wollte so gern an die Götter glauben, wurde aber von Zweifeln geplagt. Was machte es schon, redete ich mir ein, daß es ein Menschenmädchen ist, und daß ihr überirdisch leuchtender Schimmer einer von Merlins üblichen Tricks ist? Die Kleinodien wurden dadurch nicht entwertet, doch jedesmal, wenn ich an die Kleinodien gedacht hatte und geneigt war, ihre Macht zu bezweifeln, hatte ich bei der Erinnerung an jenes leuchtende, nackte Mädchen Trost gefunden. Doch nun war sie anscheinend gar keine Botin der Götter, sondern lediglich eine von Merlins Illusionen.
»Lord?« Eine weibliche Stimme störte mich in meinen Gedanken.
»Lord?« fragte sie abermals, und als ich aufblickte, sah ich eine rundliche, dunkelhaarige junge Frau vor mir stehen, die mich unsicher anlächelte. Sie trug ein einfaches Gewand mit Umhang, hatte sich ein Band in die kurzen, dunklen Locken geflochten und hielt einen kleinen rothaarigen Jungen an der Hand. »Ihr erinnert Euch nicht mehr an mich, Lord?« fragte sie enttäuscht.
Dann fiel mir ihr Name ein. »Cywyllog«, sagte ich. Sie war eine unserer Dienstmägde in Lindinis gewesen, wo sie von Mordred verführt worden war. Ich erhob mich. »Wie geht es dir?« fragte ich sie.
»So gut, wie es nur gehen kann, Lord«, antwortete sie, hocherfreut, daß ich mich an sie erinnerte. »Und das hier ist der kleine Mardoc. Kommt nach seinem Vater, findet Ihr nicht?« Ich musterte den Knaben. Er war etwa sechs bis sieben Jahre alt, untersetzt, hatte ein rundes Gesicht und genauso widerspenstige, drahtige Haare wie sein Vater Mordred. »Aber innerlich nicht, da kommt er nicht nach seinem Vater«, versicherte Cywylog. »Er ist ein guter Junge, das ist er wirklich, ein richtiger Goldjunge, Lord. Macht niemals Ärger, nicht wirklich – nicht wahr, mein Liebling?« Sie bückte sich und gab Mardoc einen Kuß. Dem Knaben war dieser Liebesbeweis peinlich, aber er setzte ein tapferes Grinsen auf. »Wie geht’s Lady Ceinwyn?« erkundigte sich Cywyllog.
»Sehr gut. Sie wird sich freuen, daß
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