Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
einen Feuerwall rings um das gesamte Muster bilden würden.
»Zwölf kleinere Kreise für dreizehn Kleinodien?« fragte ich Gawain.
»Der Kessel, Lord, wird im Mittelpunkt stehen«, erklärte er ehrfürchtigen Tones.
Es war eine schier übermenschliche Aufgabe. Die Hecken waren hoch, weit höher als ein Mann, und alle bestanden aus gepacktem Brennholz; tatsächlich muß auf jener Hügelkuppe genug Brennholz zusammengetragen worden sein, um die Feuer von Durnovaria über neun bis zehn Winter in Gang zu halten. Da die Doppelspiralen am Westende der Festung noch nicht ganz fertig waren, konnte ich zusehen, wie Männer das Holz festtrampelten, damit es nicht nur kurz aufflammte, sondern lange und heiß brannte. Zwischen den aufgeschichteten Ästen warteten ganze Baumstämme auf die Flammen. Es würde, dachte ich, ein Feuer werden, welches das Ende der Welt kennzeichnete.
Und in gewisser Hinsicht sollte das Feuer wohl genau das markieren. Es würde das Ende der Welt sein, die wir kannten, denn wenn Merlin recht hatte, würden die Götter von Britannien zu diesem hochgelegenen Ort herabkommen. Die geringeren Götter würden sich zu den kleineren Kreisen im äußeren Ring begeben, während Bel ins feurige Herz von Mai Dun hinabsteigen würde, wo ihn schon sein Kessel erwartete. Der große Bel, das Oberhaupt der Götter, der Lord von Britannien, würde mit einem heftigen Luftstoß herabfahren, in dem die Sterne umherwirbelten wie Blätter im Sturm. Und dort, wo die fünf einzelnen Feuer das Herz von Merlins Flammenkreisen markierten, würde Bel wieder Ynys Prydain betreten, die Insel Britannien. Auf einmal bekam ich eine Gänsehaut. Bis zu diesem Moment hatte ich noch nicht richtig begriffen, wie gewaltig Merlins Traum war, doch nun war ich fast von ihm überwältigt. In drei Tagen, in nur drei Tagen würden die Götter unter uns weilen!
»Hier an den Feuern arbeiten über vierhundert Leute«, erklärte mir Gawain ernst.
»Das glaube ich gern.«
»Und die Spiralen haben wir mit Zauberseil markiert«, fuhr er fort.
»Womit?«
»Mit einem Seil, Lord, das aus den Haaren einer Jungfrau geflochten und nur eine Strähne dick ist. Nimue stand in der Mitte, ich schritt um den Kreis herum, und mein Lord Merlin markierte meine Schritte mit Elfensteinen. Die Spiralen mußten vollkommen sein. Das hat eine Woche gedauert, denn das Seil riß immer wieder, so daß wir jedesmal wieder von vorn beginnen mußten.«
»Vielleicht war es doch kein Zauberseil, Lord Prinz«, neckte ich ihn.
»O doch, das war es, Lord«, versicherte mir Gawain. »Es wurde aus meinen eigenen Haaren geflochten.«
»Und am Abend vor Samhain«, fragte ich ihn, »entzündet Ihr die Feuer und wartet?«
»Drei mal drei Stunden, Lord, müssen die Feuer brennen, und in der sechsten Stunde beginnen wir mit der Zeremonie.« Und irgendwann danach würde die Nacht zum Tag werden, würde sich der Himmel mit Feuer füllen, und die rauchige Luft würde von den gewaltigen Schwingen der Götter aufgewirbelt werden.
Gawain hatte mich am nördlichen Wall der Festung entlanggeführt, doch jetzt zeigte er auf den Mithrastempel östlich der Brennholzringe.
»Ihr könnt dort warten, Lord«, sagte er. »Ich werde inzwischen Merlin holen.«
»Ist er weit fort?« fragte ich, weil ich dachte, Merlin halte sich vielleicht in einem der provisorischen Unterstände am Ostende des Hügelplateaus auf.
»Ich weiß nicht genau, wo er ist«, gestand Gawain, »aber ich weiß, daß er Anbarr holen wollte, und glaube zu wissen, wo das sein könnte.«
»Anbarr?« erkundigte ich mich. Ich kannte Anbarr nur aus Geschichten, in denen er ein Zauberroß war, ein nicht zugerittener Hengst, der angeblich genauso schnell über Wasser wie über Land galoppieren konnte.
»Ich werde Anbarr an der Seite der Götter reiten und mein Banner gegen den Feind tragen«, erklärte mir Gawain stolz. Er zeigte auf den Tempel, an dessen niedrigem Ziegeldach eine riesige Fahne lehnte.
»Das Banner von Britannien«, setzte Gawain hinzu und führte mich zum Tempel hinunter, wo er die Standarte entrollte. Sie bestand aus einem riesigen Quadrat aus weißem Leinen, das mit dem kühnen roten Drachen Dumnonias bestickt war. Die Bestie bestand fast nur aus Klauen, Schwanz und Feuer. »Im Grunde ist es das Banner Dumnonias«, räumte Gawain ein, »aber ich glaube nicht, daß die anderen britannischen Könige etwas dagegen haben würden. Was meint Ihr?«
»Nicht, wenn Ihr die Sachsen ins Meer treibt«, antwortete
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