Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
jedoch verfügte über eine unbezwingbare Selbstsicherheit, die verhinderte, daß er lächerlich wirkte. Die langen goldenen Haare hatte er zu einem lockeren Zopf geflochten, der ihm bis ins Kreuz hinunterhing. Während wir den Eingangsweg durchmaßen, der sich zwischen den hohen Grashängen dahinschlängelte, fragte ich Gawain, wie er Merlin kennengelernt habe. »Ach, Merlin kenne ich schon mein Leben lang!«
antwortete der Prinz fröhlich. »Er kam oft an den Hof meines Vaters, wißt Ihr, in letzter Zeit allerdings nicht mehr so häufig. Doch als ich noch klein war, da war er eigentlich immer da. Er war mein Lehrer.«
»Euer Lehrer?« Ich war überrascht, aber Merlin war immer verschwiegen gewesen und hatte Gawain mir gegenüber niemals erwähnt.
»Nicht im Lesen und Schreiben«, sagte Gawain. »Das habe ich von den Frauen gelernt. Nein, Merlin hat mich gelehrt, mein Schicksal zu erkennen.« Er lächelte schüchtern. »Er hat mich gelehrt, rein zu sein.«
»Rein zu sein?« Ich warf ihm einen neugierigen Blick zu. »Keine Frauen?«
»Keine, Lord«, gestand er unschuldig. »Darauf besteht Merlin. Jedenfalls nicht jetzt; nachher dann allerdings wohl doch.« Seine Stimme verklang, und er errötete.
»Kein Wunder, daß Ihr um klaren Himmel betet«, stellte ich fest.
»Aber nein, Lord, nein!« protestierte Gawain. »Ich bete um einen klaren Himmel, damit die Götter herabkommen können! Und wenn sie das tun, werden sie Olwen, die Silberne, mitbringen.« Abermals errötete er.
»Olwen, die Silberne?«
»Ihr habt sie gesehen, Lord. In Lindinis.« Sein hübsches Gesicht wirkte fast vergeistigt. »Ihr Schritt ist leichter als der Hauch des Windes, ihre Haut leuchtet im Dunkeln, und in ihren Fußspuren wachsen Blumen.«
»Und sie ist Euer Schicksal?« erkundigte ich mich, während ich bei dem Gedanken an das leuchtende, geschmeidige Geistwesen, das dem jungen Gawain gehören sollte, eine böse, kleine Anwandlung von Eifersucht unterdrückte.
»Sobald die Aufgabe erfüllt ist, soll ich sie zur Gemahlin nehmen«, erklärte er mir ernst. »Aber zunächst ist es meine Pflicht, die Kleinodien zu bewachen. In drei Tagen jedoch werde ich die Götter willkommen heißen und sie gegen den Feind führen. Der Befreier Britanniens werde ich sein!« Er verkündete diese unerhörte Prahlerei völlig gelassen, als handle es sich um eine ganz gewöhnliche und alltägliche Aufgabe. Ich schwieg dazu und folgte ihm an dem tiefen Graben vorbei, der sich zwischen Mai Duns Mitte und den inneren Wällen hinzieht; dabei entdeckte ich, daß dieser Graben mit kleinen, provisorischen Unterständen aus Zweigen und Stroh gefüllt war. »In zwei Tagen werden wir diese Unterstände abreißen«, erklärte Gawain, der sah, wohin mein Blick gewandert war, »und sie den Feuern überantworten.«
»Den Feuern?«
»Ihr werdet sehen, Lord. Ihr werdet sehen.«
Vorerst jedoch konnte ich aus dem, was ich sah, als wir den Gipfel erreichten, nicht schlau werden. Den Gipfel von Mai Dun bildet ein langgestrecktes, grasbewachsenes Plateau, auf dem in Kriegszeiten ein ganzer Stamm mitsamt allem Vieh Unterschlupf finden könnte; jetzt aber war das westliche Ende des Hügels von einem komplizierten Arrangement trockener Hecken überzogen. »Da!« sagte Gawain stolz und zeigte auf die Hecken, als seien sie sein ganz persönliches Werk. Die Leute mit dem Brennholz wurden zu einer der Hecken in der Nähe dirigiert, wo sie ihre Last abwarfen und davonstapften, um sofort neues Holz herbeizuschaffen. Dann sah ich, daß die Hecken in Wirklichkeit große, zum Verbrennen aufgestapelte Holzwälle waren. Sie waren mehr als mannshoch und schienen sich meilenweit hinzuziehen. Erst als Gawain mich auf den innersten Graswall führte, vermochte ich das Schema der Hecken zu erkennen.
Sie erfüllten die ganze westliche Hälfte des Plateaus. In der Mitte waren fünf Holzstöße aufgeschichtet, die im Zentrum eines leeren Platzes von etwa sechzig bis siebzig Schritt Durchmesser einen Kreis bildeten. Dieser leere Platz war von einer spiralförmigen Hecke umgeben, die sich dreimal um den Platz wand, daß die Spirale samt Zentrum über einhundertundfünfzig Schritte breit war. Außerhalb der Spirale lag ein leerer Grasring, gesäumt von sechs Doppelspiralen, die sich jeweils von einem kreisförmigen Platz aus entrollten und um einen weiteren einrollten, so daß in dem komplizierten äußeren Rand zwölf feuerumringte Kreise lagen. Die Doppelspiralen berührten einander, so daß sie
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