Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
aber ihr Licht erfüllte den südlichen Himmel, während sich die unheimlicheren Lichter wunderschön über unseren Köpfen wölbten.
»Glaubt Ihr nun, Bischof?« fragte Culhwch.
Emrys schien kein Wort hervorbringen zu können. Er erschauerte und berührte das Holzkreuz, das auf seiner Brust hing. »Wir haben noch nie die Existenz anderer Mächte bestritten«, erklärte er leise. »Wir glauben nur, daß unser Gott der einzig wahre Gott ist.«
»Und was sind die anderen Götter?« forderte Cuneglas ihn heraus. Anfangs schien Emrys nicht antworten zu wollen und krauste die Stirn, die Aufrichtigkeit zwang ihn jedoch zum Sprechen. »Die sind die Mächte der Finsternis, Lord König.«
»Die Mächte des Lichtes, zweifellos«, sagte Arthur andächtig, denn sogar er war tief beeindruckt. Arthur, dem es lieber gewesen wäre, wenn die Götter uns niemals berührten, sah, wie sich ihre Macht am Himmel offenbarte und war von tiefem Staunen erfüllt. »Und was geschieht nun?« erkundigte er sich.
Seine Frage war an mich gerichtet, aber Bischof Emrys antwortete.
»Es wird Tote geben, Lord«, sagte er.
»Tote?« fragte Arthur, der glaubte, nicht recht gehört zu haben. Emrys hatte sich unter die Arkade gestellt, als fürchte er sich vor der Kraft der Magie, die so hell vor den Sternen einherflackerte und -floß.
»Alle Religionen benutzen den Tod, Lord«, erklärte er schulmeisterlich,
»selbst die unsere glaubt an Opfer. Nur war es im Christentum der Sohn Gottes, der getötet wurde, damit nie wieder ein anderer auf einem Altar erstochen werden muß, aber mir will keine Religion einfallen, die den Tod nicht als Teil ihrer Mysterien benutzt. Osiris wurde getötet …«
Urplötzlich fiel ihm ein, daß er über den Isiskult sprach, den Fluch in Arthurs Leben, und fuhr hastig fort: »Auch Mithras mußte sterben, und sein Kult erfordert den Tod von Stieren. Alle unsere Götter sterben, Lord«, sagte der Bischof, »und alle Religionen außer dem Christentum wiederholen diesen Tod als Teil ihrer Rituale.«
»Wir Christen sind über den Tod hinausgegangen«, warf Galahad ein.
»Ins Leben.«
»Gottlob sind wir das«, bestätigte Emrys und schlug das Kreuz,
»Merlin dagegen nicht.« Die Lichter am Himmel waren heller geworden: riesige bunte Vorhänge, die von zuckenden weißen Lichtern durchwebt waren wie Fäden in einem Wandteppich. »Der Tod ist die allermächtigste Magie«, fuhr der Bischof mißbilligend fort. »Ein gnädiger Gott würde ihn nicht dulden, und unser Gott hat ihm durch den Tod seines eigenen Sohnes ein Ende gesetzt.«
»Merlin benutzt den Tod nicht«, behauptete Culhwch zornig.
»Doch, das tut er«, widersprach ich leise. »Bevor wir auszogen, den Kessel zu holen, hat er ein Menschenopfer dargebracht. Er hat es mir selber erzählt.«
»Wen?« verlangte Arthur scharf zu wissen.
»Ich weiß es nicht, Lord.«
»Er hat vermutlich Märchen erzählt«, warf Culhwch ein und blickte zum Himmel empor. »Das tut er gern.«
»Oder er hat die Wahrheit gesagt«, sagte Emrys. »Die alte Religion hat sehr viel Blut verlangt, und fast immer Menschenblut. Wir wissen natürlich nur sehr wenig darüber, aber ich erinnere mich, wie der alte Balise mir erzählt hat, daß die Druiden vorzugsweise Menschen töteten. Gewöhnlich waren das Gefangene. Manche wurden bei lebendigem Leib verbrannt, andere in die Todesgruben geworfen.«
»Und einige sind entkommen«, ergänzte ich leise, denn ich war als kleines Kind in die Todesgrube eines Druiden geworfen worden, und meine Flucht aus diesem Grauen von sterbenden, zerschlagenen Leibern hatte dazu geführt, daß Merlin mich adoptierte.
Emrys ignorierte meine Bemerkung. »Bei anderen Gelegenheiten war natürlich ein wertvolleres Opfer erforderlich«, fuhr er fort. »In Elmet und Cornovia sprechen die Menschen immer noch von dem Opfer, das im Schwarzen Jahr stattfand.«
»Was für ein Opfer war das?« erkundigte sich Arthur.
»Vielleicht ist es nur eine Sage«, sagte Emrys, »denn es ist schon so lange her, daß die Überlieferung nicht mehr so zuverlässig ist.« Der Bischof sprach von jenem Schwarzen Jahr, in dem die Römer Ynys Mon erobert und der Druiden-Religion damit ihren Mittelpunkt entrissen hatten, ein schreckliches Ereignis, das sich vor mehr als vierhundert Jahren zugetragen hatte. »Aber die Menschen in jenen Landesteilen sprechen noch heute von König Cefydds Opfer«, fuhr Emrys fort. »Es ist lange her, daß ich diese Sage gehört habe, aber Balise hat immer daran
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