Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
erste Schnee des Winters. Der Schnee kam sehr früh, und das verhieß einen harten Winter. Anfangs fiel er als Schneeregen, gegen Abend aber wurde er zu richtigem, dichtem Schnee, der am Morgen darauf das ganze Land weiß überzogen hatte. Im Verlauf der folgenden Woche wurde es kälter, und als innen an unserem Dach Eiszapfen hingen, begann der winterlange Kampf um Wärme. Im Dorf schliefen die Menschen bei ihren Tieren, während wir die bitterkalte Luft mit großen Feuern bekämpften, woraufhin die Eiszapfen am Dachstroh zu tropfen begannen. Das Wintervieh stellten wir in die Ställe, alle anderen Tiere schlachteten wir und legten das Fleisch in Salz ein, wie Merlin Gawains ausgebluteten Körper in Salz gepökelt hatte. Zwei Tage lang hallte das Dorf vom angstvollen Brüllen der Ochsen wider, die zur Schlachtbank gezerrt wurden. Der Schnee war rot gefleckt, und die Luft stank nach Blut, Salz und Dung. In der Halle loderten die Feuer, gaben uns aber wenig Wärme. Wir erwachten frierend, wir zitterten in unseren Pelzen, und wir warteten vergebens auf Tauwetter. Da sogar der Bach zufror, mußten wir, um unsere tägliche Wasserration zu holen, zuerst das Eis aufhacken.
Dennoch fuhren wir fort, unsere jungen Speerkämpfer auszubilden. Um sie auf den Kampf gegen die Sachsen vorzubereiten, ließen wir sie durch den Schnee marschieren und stählten ihre Muskeln. An den Tagen, an denen es sehr stark schneite und der Wind die Flocken dicht um die schneeverkrusteten Giebel der kleinen Dorfhäuser wirbelte, ließ
ich die Männer Schilde aus Weidenholz anfertigen, die mit Leder überzogen wurden. Ich stellte eine Kriegshorde zusammen, doch während ich die Männer bei der Arbeit beobachtete, fürchtete ich um sie und fragte mich, wie viele von ihnen wohl noch die Sommersonne erleben würden.
Unmittelbar vor der Wintersonnenwende kam eine Nachricht von Arthur. Als Bischof Emrys eintraf, waren wir in Dun Caric mit den Vorbereitungen für das große Fest beschäftigt, das während der ganzen Woche des Sterbens der Sonne dauern sollte. Seinem Pferd waren die Hufe mit Leder umhüllt worden, und seine Begleitung bestand aus sechs von Arthurs Speerkämpfern. Der Bischof berichtete uns, er sei in Gwent geblieben, um mit Meurig zu diskutieren, während Arthur nach Demetia weitergeritten sei. »König Meurig hat sich nicht rundweg geweigert, uns zu helfen«, erzählte der Bischof. Er saß kältezitternd vor dem Feuer, von dem er zwei von unseren Hunden verscheucht hatte. Dankbar hielt er seine molligen, rot aufgesprungenen Hände vor die Flammen. »Doch wie ich fürchte, sind die Bedingungen, die er für seine Hilfe stellt, leider inakzeptabel.« Er nieste. »Liebste Lady, Ihr seid sehr freundlich«, sagte er zu Ceinwyn, die ihm ein Horn mit warmem Met gebracht hatte.
»Welche Bedingungen?« wollte ich wissen.
Emrys schüttelte bedrückt den Kopf. »Er verlangt Dumnonias Thron, Lord.«
»Er verlangt was?« fuhr ich auf.
Um mich zu beschwichtigen, hob Emrys beruhigend die Hand.
»Mordred sei unfähig zu regieren, behauptet er, Arthur sei unwillig zu regieren, und Dumnonia brauche einen christlichen König. Dafür bietet er sich an.«
»Bastard!« sagte ich. »Dieser verräterische Feigling von einem kleinen Bastard.«
»Das kann Arthur natürlich nicht akzeptieren«, fuhr Emrys fort.
»Daran hindert ihn schon der Eid, den er Uther geschworen hat.« Er trank einen Schluck Met und seufzte anerkennend. »Wunderbar, wieder ein bißchen Wärme zu spüren.«
»Dann wird Meurig uns also nicht helfen, es sei denn, wir geben ihm unser Königreich?« fragte ich zornig.
»Das sagte er jedenfalls. Er behauptet, Gott werde Gwent schützen, und wenn wir ihn nicht zum König ausriefen, müßten wir Dumnonia allein verteidigen.«
Ich ging zur Hallentür und starrte in den Schnee hinaus, der sich auf den Spitzen unserer Holzpalisade türmte. »Habt Ihr mit seinem Vater gesprochen?« fragte ich Emrys.
»Ich war bei Tewdric«, antwortete der Bischof. »Ich bin mit Agricola hingegangen, der Euch seine besten Wünsche sendet.«
Agricola war König Tewdrics Kriegsherr gewesen, ein großer, grimmiger Kämpfer in einer römischen Rüstung. Jetzt aber war Agricola ein alter Mann, und Tewdric, sein Herr, hatte auf den Thron verzichtet, sich eine Priestertonsur scheren lassen und die Macht an seinen Sohn weitergereicht. »Geht es Agricola gut?« fragte ich Emrys.
»Er ist alt, aber voller Tatendrang. Er ist natürlich auf unserer Seite, aber …«
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