Arztromane
vonnöten.
Am nächsten Tag nehme ich mir frei und locke Wodka, bis er sich freiwillig in den Transpor t käfig begibt. Anscheinend hat er doch gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung ist, denn sonst muss ich ihn meist mit Gewalt in den Korb zwi ngen. Ganz ruhig liegt er hinten in einer Ecke und guckt mich wehleidig mit seinen blauen Augen an. Mir wird das Herz ganz schwer.
Die nächstgelegene Tierarztpraxis ist drei Straßen entfernt, sodass ich den Weg locker zu Fuß bewältigen kann. Dr. Kevin Spaltherr lese ich auf dem Schild vor der Praxis und grinse in mich rein. Was für Namen es doch gibt.
Die Sprechstundenhilfe wirft einen Blick in den Katzenkorb und nimmt meine Daten auf, b e vor sie mich ins Wartezimmer schickt. Bis auf eine ältere Dame mit einem Vogelkäfig auf dem Schoß, sind alle Stühle leer. Mit einem gemurmelten ‚Guten Morgen‘ setze ich mich gleich vorne neben die Tür und stelle den Transportbehälter auf den Boden.
„Was hat denn ihr Kätzchen?“, fragt die Frau und wirft einen neugierigen Blick auf den Korb.
„Zerrissene Hoden“, antworte ich ganz in Gedanken.
Die Alte zieht scharf die Luft ein, mustert mich, als wäre ich an Wodkas Unglück schuld und senkt den Blick auf ihr Vögelchen, das schlaff auf dem Boden des Käfigs hockt. In einve r nehmlichem Schweigen warten wir, bis die Sprechstundenhilfe die Frau aufruft. Noch im Hinausgehen bekomme ich einen vorwurfsvollen Blick zugeworfen.
Eine Viertelstunde später darf ich endlich zum Doktor, einem blonden Mann von etwa meiner Größe und Statur. Er gibt mir die Hand, drückt meine Finger und mustert mich intensiv, w o bei ein smartes Lächeln seine Mundwinkel anhebt.
„Herr Eisenstein, wo drückt der Schuh?“
„Mein Kater hat sich an einem Stacheldraht etwas aufgerissen“, antworte ich und überlege, ob er meine Hand nicht etwas zu lange schüttelt.
„Na, dann wollen wir doch mal gucken“, murmelt Dr. Spaltherr und späht in den Transpor t korb, nachdem er meine Finger losgelassen hat. „Hübsches Kätzchen“, murmelt er.
„Wodka ist ein Kater“, informiere ich den Arzt, stelle den Korb auf einen Tisch und öffne die Tür.
Mein Liebling lässt sich nur schwer herauslocken und als ich ihn endlich auf dem Arm halte, merke ich, wie erschöpft mein Katerchen ist. Wodka hängt teilnahmslos an meiner Brust und zuckt nicht einmal, als der Doktor ihn hochnimmt und auf die Untersuchungsliege packt.
„Oh Mann, da zieht sich einem alles zusammen“, kommentiert Spaltherr, nachdem er zw i schen Wodkas Beine geschaut hat.
Unwillkürlich fällt mein Blick auf seine Körpermitte und ich kann mich eines leichten Kopfk i no-Ansatzes nicht erwehren.
„Welcher Idiot installiert Stacheldraht um sein Grundstück?“, redet der Doktor weiter, wä h rend er nach seinen Instrumenten greift.
„Ein dummer Nachbar. Ich wohne in einer Schrebergartenkolonie, dort sind viele Spinner.“
„Oh, das geht? Ich dachte, dort darf man keinen festen Wohnsitz haben?“ Spaltherr hat sich über Wodka gebeugt, schaut kurz zu mir auf und hebt die Augenbrauen.
„Nun, es ist geduldet“, erkläre ich mit einem Achselzucken.
„Hm“, macht der Doktor, während er meinem Kater eine Injektion verabreicht.
Eine Weile stehen wir schweigend da und gucken zu, wie Wodka immer schlaffer wird, bis er ganz entspannt daliegt. Spaltherr seufzt, betrachtet erneut die aufgerissenen Hoden und wendet sich an mich.
„Retten oder abschneiden?“
„Retten“, entfährt es mir ohne nachzudenken.
„Okay, so hätte ich auch entschieden“, meint der Arzt, greift nach Nadel und Faden und ich gucke weg.
Nach endlosen Minuten murmelte er ein ‚fertig‘ und ich schaue wieder hin. Die Bällchen sind jetzt so rund wie vorher, ein Meisterwerk in meinen Augen. Spaltherr schnappt sich eine T u be und verteilt großzügig eine Creme auf den Hoden, die er beherzt einmassiert und mir d a bei ein Augenzwinkern zuwirft.
„Das werden Sie die nächsten Tage tun müssen. Ich gebe Ihnen ein Rezept mit und Sie kommen am besten in einer Woche wieder her, damit ich die Wundheilung überprüfen kann.“
Kurz darauf bin ich mit dem Transportkorb in der Hand auf dem Weg zur Apotheke, um die verschriebene Salbe zu besorgen. Zum Glück schläft Wodka noch, hasst er es doch, wenn er umhergeschaukelt wird.
Eine Stunde später komme ich zu Hause an, stelle den Korb ins Wohnzimmer und lass mich aufs Sofa plumpsen. Was bin ich erleichtert,
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