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Arztromane

Arztromane

Titel: Arztromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sissi Kaipurgay
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hellwachen Morgenlatte ist da nichts.  
    Irgendwo in der Wohnung höre ich Geräusche, klingt wie Geschirrgeklapper. Ich richte mich auf, als auch schon Yoomee hereinkommt und sich mit einem Tablett voller Frühstücksachen vor mir hinkniet.
    „Du hast sicher Hunger.“
    Er trägt Jeans, ein weißes T-Shirt und die Haare sind zu einem Zopf geflochten. Toll sieht er aus und trotz meines knurrenden Magens hätte ich lieber ihn vernascht.
    „Hier.“
    Er drückt mir einen Becher in die Hand, aus dem das belebende Aroma von Kaffee in meine Nase steigt. Vorsichtig trinke ich, lass ihn dabei nicht aus den Augen und beobachte jede seiner Bewegungen. Bin ich verliebt? Scharf bin ich jedenfalls.
    „Du musst sicher zur Arbeit. Ich habe dich extra früh geweckt“, murmelt Yoomee und zwi n kert mir schelmisch zu.  
    Oh Gott! Mit einem Schlag bin ich nüchtern, die Morgenlatte sinkt und mein Blick irrt durchs Zimmer auf der Suche nach einer Uhr. Auf dem Kaminsims steht ein altmodischer Wecker und als ich sehe, dass es gerade erst sieben ist, sacke ich erleichtert in mich zusammen.
     
    Nach dem Frühstück wickle ich die Decke um mich und trotte ins Bad. Eine Dusche belebt meine Geister und als ich aus der Kabine trete ,  entdecke ich meine Klamotten als ordentl i chen Stapel auf dem Klodeckel. Ich habe Yoomee nicht bemerkt, aber ich war wohl zu abg e lenkt.  
    Angezogen und mit einer unbekannten Ruhe in mir komme ich aus dem Badezimmer. Es wird nun wirklich Zeit, dass ich nach Hause gehe, die Kleider wechsle und zu meinem Job eile. Als selbständiger Inhaber einer Autowerkstatt kann ich mir nicht mal eben so freine h men.  
    „Yoomee?“, rufe ich im Flur, da ich ihn nirgendwo hören kann.
    Er kommt aus einem Zimmer rechts und mustert mich ernst. Inzwischen trägt er Schuhe und einen Pullover, die Jacke hängt an einem Finger.
    „Ich muss los. Sehen wir uns wieder?“
    Er zieht die Augenbrauen zusammen, während er auf mich zukommt, dicht vor mir stehen bleibt und mich dabei die ganze Zeit mit seinem Blick fixiert.
    „Wenn die Trauer nicht mehr in dir ist, dann bist du willkommen“, flüstert er, streicht sanft über meine Schulter und gibt mir anschließend einen leichten Schubs in Richtung Tür.
     
    Auf dem Weg zu meiner Wohnung gehen mir seine Worte immer wieder durch den Kopf, genauso wie die zurückkehrenden Erinnerungsfetzen. Er über mir, die dunklen Haare umhü l len uns und mein Schwanz steckt in ihm. Ich habe das nicht geträumt, er hat es wirklich g e tan. Sollte ich sauer sein, weil er meinen Zustand ausgenutzt hat?  
    Ich horche in mich rein, doch da ist nichts als tiefe Dankbarkeit für diese Ruhe, die er mir geschenkt hat. Selbst der Gedanke an Andre erzeugt nicht mehr einen scharfen Schmerz, sondern nur noch ein dumpfes Abbild desselben, das erträglicher ist und mich nicht mehr tief aufwühlt.
     
    Den ganzen Tag trage ich Yoomees summenden Gesang in mir und die Ruhe verlässt mich auch nicht, als ich nach Feierabend in meine leere Wohnung zurückkehre. Leider ist es schon nach sechs Uhr und das Museum nicht mehr geöffnet, sonst wäre ich hingegangen. Zu seiner Wohnung traue ich mich nicht, denn seine Worte klangen für mich verwirrend.
    Warum stößt er sich an meiner Trauer? Sie wird immer da sein, weil auch die Liebe zu Andre immer ein Teil von mir bleiben wird. Ich kann sie mir nicht aus dem Herzen reißen wie einen Splitter aus dem Finger.
     
    Meine gewonnene Gelassenheit bleibt, hinzu gesellt sich etwas Neues: Yoomee. Er ist beim Aufwachen bei mir und geht mit mir schlafen. In jeder Sekunde habe ich seinen betörenden Duft in der Nase und sehe seine dunklen, unergründlichen Augen, die sanft auf mir ruhen. Am Donnerstag, das Museum hat bis neun Uhr abends geöffnet, halte ich es nicht mehr aus, mache rechtzeitig Feierabend und fahre hin.
     
    Der Saal mit dem Tipi ist überlaufen. Ich halte mich an der Wand und suche mit den Augen nach Yoomee, kann ihn inmitten der Besucher endlich ausmachen und kaum habe ich ihn entdeckt, wendet er den Kopf zu mir. Sein Blick geht mir durch und durch, verursacht M a genziepen und bringt meinen Puls zum Rasen. Ich möchte ihn berühren, endlich mit wachem Verstand küssen und seine Haut streicheln.  
    So blitzartig, wie der Sturm mich erfasst hat, legt er sich wieder ,  als Yoomee das Gesicht a b wendet und sich den Leuten widmet. Es bleibt ein Gefühl der Leere, wie ich es das letzte Mal nach Andres Tod gespürt habe. Oh Gott, ich bin so

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