Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
weißen Teppich. An so manchem Strauch zeigte sich schon zartes Grün und die Blütenstände der Weidenkätzchen lockten die ersten Bienen an.
Eine Weile führte Muriel Ascalon den Waldweg entlang, dann schwenkte sie nach rechts und ging tiefer in den Wald hinein.
Auf der dicken Laubschicht unter den hohen Bäumen lief es sich weich und federnd. Muriel führte Ascalon in Schlangenlinien um die Bäume herum, indem sie mal in die eine und dann wieder in die andere Richtung abbog, um zu sehen, wie er den Richtungswechseln folgte. Kleine schlanke Buchenstämme, die der Förster im Vorjahr geschlagen hatte, damit die großen Bäume genug Raum zum Wachsen hatten, dienten dabei als natürliche Hindernisse. Ein kleines Bächlein, das sich durch den Wald schlängelte, erforderte gar einen gewagten Sprung.
Ascalon zeigte sich von seiner besten Seite. Ohne zu zögern, folgte er jedem Richtungswechsel, überwand die Hindernisse spielerisch und gab sich so brav, dass er sogar Muriel überraschte. Und mehr noch. Anders als in der Reithalle ließ er es hier im Wald sogar zu, dass ihre Mutter dicht neben ihm ging.
»Ich glaube, er gewöhnt sich langsam an dich!« Muriel zwinkerte ihrer Mutter zu.
»Sieht ganz so aus!« Renata Vollmer wirkte erleichtert. »Man könnte meinen, er weiß, wie viel von seinem guten Benehmen abhängt.«
Muriel sagte nichts. Natürlich weiß er das, dachte sie bei sich. Ich habe es ihm vorhin ja extra noch einmal gesagt. Inzwischen war sie sicher, dass Ascalon jedes ihrer Worte verstand. So sicher, wie sie zu wissen glaubte, dass Ascalon ein ganz besonderes Pferd war. Ein Pferd mit einem Geheimnis. Einem Geheimnis, das irgendwie mit seinem seltsamen Verhalten und ihren Visionen zusammenhing, auch wenn sie dafür immer noch keine Erklärung gefunden hatte.
Ohne eine vernünftige Erklärung aber wagte sie es nicht, mit ihrer Mutter darüber zu sprechen. Renata Vollmer war durch und durch Realistin, die für Spirituelles oder Geheimnisvolles rein gar nichts übrighatte.
Jede Wirkung hat ihre Ursache, pflegte sie immer zu sagen und ließ dabei keinen Zweifel daran, dass es ausschließlich handfeste und behandelbare Ursachen gab.
Muriels Vermutungen würde sie wahrscheinlich sofort als ausgemachten Blödsinn abtun und ihr, wie so oft, eine überbordende Fantasie bescheinigen.
»Ach du Schreck!«
Sie waren noch nicht mal eine halbe Stunde unterwegs, als ihre Mutter plötzlich stehen blieb.
»Was ist los?«, fragte Muriel verwundert.
»Mein Handy!« Ihre Mutter klopfte mit den Händen die Taschen ihrer Steppweste ab und setzte die Suche dann in den Hosentaschen fort. »Es … es ist weg!«
»Wie, ›weg‹?« Muriel verstand nicht. »Hast du es im Stall liegen gelassen?«
»Nein.« Renata Vollmers Blick huschte suchend über den Boden. »Ich weiß genau, dass ich es eingesteckt habe. Aber jetzt ist es weg.«
»Vielleicht ist es dir aus der Tasche gefallen?«, überlegte Muriel laut.
»Das befürchte ich auch.« Ihre Mutter drehte sich einmal um die eigene Achse und suchte den Boden ringsumher nach dem Telefon ab. »Das finden wir hier nie!«, sagte sie resignierend und deutete auf den dichten weiß-grünen Teppich aus Buschwindröschen. »Außerdem …«, sie warf einen Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren, » … wissen wir gar nicht mehr, wo wir überall langgegangen sind.«
»Stimmt!« Auch Muriel war ratlos. »Das ist wirklich dumm gelaufen. Und was machen wir jetzt?«
Ehe ihre Mutter antworten konnte, setzte sich Ascalon in Bewegung. Er wandte sich einfach um und schritt so kraftvoll aus, dass Muriel gezwungen war ihm zu folgen.
»Brrr, Ascalon! Steh!« Muriel straffte die Leine, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, aber der Wallach dachte gar nicht daran, zu gehorchen.
»Ich glaube, er will zurück!«, rief Muriel ihrer Mutter ein wenig hilflos zu.
»Kannst du ihn nicht festhalten?«
»Nein!« Muriel hatte sich schon einige Meter von ihrer Mutter entfernt und Ascalon zog sie immer noch weiter. »Was soll ich denn jetzt machen?«
»Gar nichts. Wir gehen zurück. Gib nur acht, dass er nicht auszubrechen versucht«, kam die Antwort ihrer Mutter.
Aber Ascalon hatte etwas anderes im Sinn. Als er ein Stück weit gegangen war, blieb er schlagartig stehen und begann die Buschwindröschen abzugrasen.
»Aha, so ist das also«, murmelte Muriel. »Du willst mir zeigen, dass du hier der Boss bist.« Sie presste die Lippen fest aufeinander und schnitt eine Grimasse. »So nicht,
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