Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
das Tor zuglitt. Sie blieb gestaltlos, aber Ascalon spürte die vertraute Nähe der Wesenheit und zeigte keine Furcht.
Der Weg ist frei.
Worte, in den Nachtwind gewoben, schwebten ihm zu.
Bald, raunte es in seinen Gedanken. Bald schon …
Ascalon wieherte leise. Da erschien in der Wolke das Antlitz einer Frau. Ihre jugendliche Schönheit wirkte alterslos und doch haftete ihr die Ahnung von Unendlichkeit an. Ein sphärisches Wesen, mystisch und geheimnisvoll. Folge dem Weg. Ich erwarte dich. Ihre Lippen bewegten sich, doch kein Laut durchbrach die nächtliche Stille. Die Worte galten allein Ascalon. Und Ascalon verstand.
Die Frau lächelte. Ein gütiges Lächeln. Wie Rauch im Wind löste sich die Schattenwolke auf und ihr Antlitz verschwand.
Ascalon stand noch eine Weile am Tor und schaute in den Wald hinein. Dann wandte er sich um und gesellte sich wieder zu den anderen, als sei nichts geschehen.
Der Weg war frei. Er wusste, was er zu tun hatte.
Je mehr sich Muriel mit Ascalon beschäftigte, desto ausgeglichener wurde er. Gegen Mitte der zweiten Woche ließ er sich nicht nur von ihrer Mutter, sondern auch von der Pferdepflegerin Andrea und Vivien streicheln und füttern. Von dem anfänglich aggressiven und bissigen Verhalten war nichts mehr zu spüren. Ihre Mutter war sehr zufrieden mit Ascalons Entwicklung und äußerte vorsichtig die Hoffnung, dass Madame de Chevalier ihr Pferd schon bald völlig genesen wieder abholen könne.
Als Muriel das hörte, wurde sie traurig. Sie hatte Ascalon in der kurzen Zeit so sehr ins Herz geschlossen, dass sie ihn am liebsten ganz für sich behalten hätte. Das Gefühl, dass sie zusammengehörten, wurde mit jedem Tag stärker.
Einmal versuchte sie zaghaft das Gespräch darauf zu bringen, ob es nicht möglich sei, Ascalon zu kaufen, aber ihre Mutter nahm die Frage gar nicht richtig ernst.
»Wo denkst du hin, Kind? Ascalon ist ein irrsinnig teures Pferd«, sagte sie kopfschüttelnd. »Selbst wenn ich alle Ersparnisse dafür hergeben würde, würde das Geld nicht ausreichen ihn zu bezahlen. Wir sind doch keine Millionäre.«
Muriel schwieg. Im Grunde hatte sie schon so eine ähnliche Antwort erwartet. Der Gedanke, Ascalon zu kaufen, war dumm. So dumm, dass er von Vivien hätte stammen können. Aber der Wunsch, das Pferd zu behalten, war so übermächtig, dass sie es wenigstens hatte versuchen wollen.
An einem Freitagabend gab es die nächste niederschmetternde Nachricht. Beim Abendbrot kam ihre Mutter zu ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte mitfühlend: »Ich fürchte, ich habe schlechte Neuigkeiten für dich. Madame de Chevalier hat gerade angerufen. Sonntagvormittag holt sie Ascalon ab.«
… holt sie Ascalon ab … holt sie Ascalon ab … Die Worte hallten in Muriel nach und sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. »Aber das ist viel zu früh!«, rief sie aus. »Du hast doch selbst zu mir gesagt, dass er noch mindestens eine Woche …«
» … oder besser zwei Wochen beobachtet werden muss.« Renata Vollmer nickte zustimmend. »Und genau das habe ich auch zu Madame de Chevalier gesagt. Aber sie wollte davon nichts hören und meinte, dass es genüge, wenn er sich anständig benimmt und die Nähe von Fremden zulässt.« Sie schüttelte den Kopf und seufzte. »So etwas habe ich noch nicht erlebt. Für sie zählt nur der rasche Therapieerfolg. Von meinen Bedenken, dass Ascalon wahrscheinlich noch labil ist, wollte sie nichts hören.«
»Das wird ihr bestimmt zu teuer«, warf Mirko ein.
»Mag sein.« Renata Vollmer blickte ihren Sohn an. »Ein Pferd behandeln zu lassen ist immer eine kostspielige Sache, aber gerade deshalb sollte man so eine Therapie auch nicht vorzeitig abbrechen.«
»Hast du ihr das nicht gesagt?« Muriel schaute ihre Mutter an, als trüge sie allein die Schuld daran, dass Ascalon so früh heimkehren musste.
»Nun, ich habe es versucht, aber sie war sehr hartnäckig und ließ mich kaum zu Wort kommen«, erwiderte ihre Mutter. »Du musst verstehen, dass sie …«
»Ich verstehe gar nichts. Und ich will es auch nicht verstehen. Ascalon ist noch nicht richtig gesund und du weißt es. Aber du versuchst nicht einmal ihn hierzubehalten.« Muriel knallte die Gabel auf den Teller, sprang auf und stürzte aus der Küche.
Ascalon würde fortgehen und sie würde ihn nie mehr wiedersehen! Der Gedanke trieb ihr die Tränen in die Augen. Natürlich war ihr klar, dass sie ihn nicht behalten konnte, und natürlich hatte sie die ganze
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