Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
Vergangenheit sind längst Geschichte. Die Zeiten der alten Götter sind vorbei. Heute bin ich, wer ich bin. Ich habe keinen Namen mehr.«
»Sie sind … Sie waren eine Göttin?« Muriel konnte nicht glauben, was sie da hörte.
»Ich war eine.« Die Frau nickte. »Heute ist meine Macht beschränkt. Wäre es mir gestattet, ich hätte mich längst, wie die anderen Götter, in ferne Gefilde zurückgezogen, denn ohne den Glauben der Menschen können wir nicht bestehen.«
»Und warum sind Sie noch hier?«, wagte Muriel zu fragen. Die Frau faszinierte sie. Sie war neugierig, mehr von ihr zu erfahren, blieb aber misstrauisch. Überzeugt davon, gerade eine ganz außergewöhnliche Vision zu erleben, fragte Muriel sich, wann sie wohl daraus erwachen würde.
»Ich bin hier, weil ich noch eine Aufgabe zu erfüllen habe«, erklärte die Frau. »Weißt du … auch Göttern unterlaufen bisweilen Fehler. Fehler, die schwerwiegende Folgen haben können …« Sie brach ab, blickte Muriel aus ihren hellblauen Augen an und deutete auf die Hütte. »Aber willst du nicht hereinkommen? Dann erzähle ich dir mehr davon.«
Muriel zögerte.
In Gedanken hörte sie die Stimme ihrer Mutter, die sie ermahnte, Fremden nicht zu sehr zu vertrauen. Andererseits geschah dies alles ja auch nicht wirklich. Was sollte da schon passieren? Irgendwann würde sie daheim in ihrem Bett aufwachen und feststellen, dass sie alles nur geträumt hatte.
»Du musst keine Angst haben«, sagte die Frau in ihre Gedanken hinein, als hätte sie diese gelesen. Sie ging auf Ascalon zu, strich ihm sanft über den Nasenrücken und sagte: »Ascalon und ich sind gute Freunde. Wir kennen uns schon sehr lange.«
»Sehr lange?« Muriel runzelte die Stirn. »Er ist doch erst sechs Jahre alt.«
»Das ist wohl wahr«, stimmte die Frau ihr zu. »Aber es ist auch nicht die ganze Wahrheit. Du musst wissen, dass Ascalon ein wirklich besonderes Pferd ist. Folge mir, dann erzähle ich dir seine Geschichte.«
… ein wirklich besonderes Pferd. Muriel horchte auf. Die Frau sprach aus, was sie schon die ganze Zeit vermutet hatte. Ascalon hatte ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das sie unbedingt ergründen wollte. Ihr Interesse war geweckt. Sie konnte gar nicht anders, als die Einladung anzunehmen.
»Also gut, ich komme mit.« Langsam glitt sie von Ascalons Rücken und ging neben der Frau her auf die Tür zu.
»Sie bekommen wohl nicht häufig Besuch?«, fragte sie mit einem Blick auf den baufälligen Zustand der Hütte.
»Wenig.« Die Frau lächelte. »Genau genommen ist Ascalon der Einzige, der mir hin und wieder einen Besucher bringt. Der Weg hierher ist schwer zu finden.« Sie blieb am Türrahmen stehen und bedeutete Muriel einzutreten. »Willkommen in meinem Heim«, sagte sie geheimnisvoll. »Ich hoffe, es gefällt dir.«
Muriel trat ein und blieb wie angewurzelt stehen. Was immer sie in der Hütte erwartet hatte – das ganz gewiss nicht.
Der Raum war nicht nur viel größer, als es von außen den Anschein hatte, er war auch so prunkvoll eingerichtet, dass es Muriel glatt die Sprache verschlug. Eine hohe kuppelförmige Decke, die niemals das Hüttendach sein konnte, wurde von glänzend polierten Marmorsäulen getragen, der Fußboden war mit marmornen Fliesen bedeckt und an den Wänden prangten farbenprächtige Mosaike. Aus einem Brunnen in der Mitte plätscherte kristallklares Wasser in ein großes Auffangbecken und ein steinerner Kamin, in dem ein knisterndes Feuer brannte, verströmte eine heimelige Wärme.
»Gefällt es dir?« Der Frau waren Muriels bewundernde Blicke nicht entgangen.
»Es ist wunderschön.« Muriel kam aus dem Staunen nicht heraus. Wohin sie auch blickte, entdeckte sie neue Kostbarkeiten: wertvolle Teppiche, formvollendete Statuen und allerlei kunstvoll gearbeitete Dinge des täglichen Gebrauchs.
Das ist ein Traum, rief sie sich noch einmal nachdrücklich in Erinnerung, weil sie fürchtete verrückt zu werden, wenn es nicht so war. Das ist alles nur ein Traum. Wo sonst konnte es geschehen, dass man eine verfallene Hütte betrat und sich dann in einem Palast wiederfand?
»Bitte, setz dich doch.« Die Göttin deutete auf zwei wuchtige Korbstühle am Kamin, auf denen dicke, samtene Kissen lagen. »Wir beide haben viel zu besprechen.«
»Besprechen?« Stirnrunzelnd nahm Muriel Platz. Von besprechen war keine Rede gewesen. »Ich dachte, Sie wollten mir von Ascalon erzählen«, sagte sie.
»Das werde ich auch.« Die Göttin schenkte Wasser aus einer
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