Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
und fügte hinzu: »Wäre das denn so schlimm?«
»O ja, das wäre es.« Die Göttin nickte ernst. »Ihr Sterblichen seid noch nicht reif für die großen Mysterien der Vergangenheit. Zu viele Kriege, zu viel Neid und Missgunst beherrschen euer Leben. Ihr würdet das unschätzbare Wissen der Alten nicht weise nutzen, ihr würdet es verwenden, um zu zerstören – am Ende vielleicht sogar euch selbst.«
»Nicht alle Menschen sind schlecht«, wandte Muriel ein. Sie ärgerte sich, dass die Göttin so abfällig über die Menschen sprach, und diesmal war es ihr gleichgültig, ob es vorlaut klang oder nicht. »Es gibt auch viel Gutes in der Welt, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Liebe.«
»Ja, die gibt es«, stimmte die Göttin ihr zu. »Und doch ist das Böse allgegenwärtig. Das Streben nach Macht ist ein schleichendes Gift, das auch die reinste Seele vergiften kann. Und die Mysterien, von denen ich spreche, sind sehr mächtig. Irgendwann wird die Zeit kommen, da die Menschheit so weit ist, sie zu ergründen. So lange jedoch werde ich hier ausharren und mit den mir verbliebenen Kräften versuchen, einen Missbrauch zu verhindern. Und Ascalon hilft mir dabei.«
»Wirklich? Wie kann er das?« Muriels Herz klopfte vor Aufregung wie wild. Was die Göttin ihr da erzählte, klang total spannend. Sie konnte es gar nicht erwarten, mehr davon zu hören.
»Jahrhundertelang gab es für mich nicht viel zu tun«, berichtete die Göttin weiter. »Die Menschen waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass die Vergangenheit für sie von Interesse war. Das änderte sich jedoch mit den großen Entdeckern wie Christoph Columbus, James Cook und Alexander von Humboldt. Den Forschern folgten die Plünderer und Grabräuber, die es auf Gold und andere Schätze abgesehen hatten. Sie waren rücksichtslos und habgierig und zerstörten vieles, das besser erhalten geblieben wäre. Hin und wieder fielen ihnen auf ihren Beutezügen Hinweise auf die Mysterien in die Hände: ein vergessenes Schriftstück, eine schlichte Tonfigur oder Abbilder, in Fels gemalt. Aber sie hielten diese für wertlos und beachteten sie nicht. Damals war es noch leicht für mich, unbemerkt einzugreifen und die Geheimnisse der Vorzeit zu wahren. Irgendwann jedoch begriffen die Menschen, dass die Völker der Vergangenheit ihnen weit mehr hinterlassen hatten als Gold und Edelsteine. Einen Schatz, der viel wertvoller war als kostbares Geschmeide – und das war ihr Wissen. Fortan begannen jene, die ihr heute Archäologen nennt, gezielt danach zu suchen.«
Die Göttin gab einen Laut von sich, der sich wie ein Seufzen anhörte.
»Seitdem finde ich keine Ruhe mehr«, fuhr sie fort. »Der Drang nach Wissen scheint unersättlich. Moderne Techniken geben den Archäologen die Möglichkeit, in Gegenden vorzustoßen, die Jahrtausende unberührt waren. Sie suchen und suchen – und immer wieder werden sie fündig. Doch was sie da ans Tageslicht holen, ist nicht immer für ihre Augen bestimmt. Ich habe versucht einzugreifen, aber in der modernen Welt können sich nicht einmal mehr Götter unbemerkt bewegen. Mir sind die Hände gebunden.« Sie blickte Muriel ernst an. »Und deshalb habe ich Ascalon zu Hilfe gerufen.«
»Gerufen?« Muriel hatte längst vergessen, dass sie sich in einem Traum wähnte. »Wenn nicht einmal Sie sich frei in meiner Welt bewegen können, wie kann ein Pferd Ihnen da helfen?«
»Ascalon ist ein Reisender«, erklärte die Göttin. »Er hilft mir nicht in deiner Welt, sondern dort, wo der Fehler geschah. Er besitzt die einzigartige Fähigkeit, durch die Zeit reisen zu können, und erweist mir unschätzbare Dienste. Immer wenn ein Mysterium droht enthüllt zu werden, reist er in die Vergangenheit, um den Fehler dort zu beheben.«
Die Göttin schien zu bemerken, wie sehr ihre Worte Muriel verwirrten, deshalb fuhr sie fort: »Ich will dir ein Beispiel nennen. Vor fünfzig Jahren drohte bei Ausgrabungen in Pompeji eine Schriftrolle entdeckt zu werden, in der ein Römer ausführlich seinen Weg in die Unterwelt beschreibt. Pluto, der Gott der Unterwelt, hatte ihn zurückgeschickt, weil seine Zeit noch nicht gekommen war. Meine Aufgabe wäre es damals gewesen, dem Mann seine Erinnerungen an das Ereignis zu nehmen. Durch irgendetwas, das man gemeinhin als Zufall oder Schicksal bezeichnen würde. Aber ich … Nun ja, ich war damals gerade anderweitig beschäftigt. So schrieb er alles auf, was er erlebt hatte, und verbarg das Wissen gut geschützt in einem
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