Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
dürftig ausfallen.
Nachdenklich wanderte sie weiter. Sie hatte noch nicht viel gesehen, aber schon jetzt bekamen die nüchternen Beschreibungen aus ihrem Geschichtsbuch eine ganz neue Dimension. Es machte eben doch einen Unterschied, ob man etwas las oder mit eigenen Augen sah. Mehr denn je war sie neugierig auf die Stadt und das Leben dort und ging schneller, um endlich nach Willenberg zu gelangen.
Von einer flachen Hügelkuppe aus konnte sie einen ersten Blick auf eine mittelalterliche Siedlung werfen – besser gesagt auf die Dächer einer solchen, denn sie lag in einer Senke hinter der nächsten Anhöhe.
War das Willenberg, wie es anno 1420 ausgesehen hatte?
Muriel stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können, aber mehr als eine Handvoll Strohdächer mit gemauerten Schornsteinen, einen Kirchturm und einige Giebel von Fachwerkhäusern konnte sie nicht erkennen. Am liebsten wäre sie aufgesessen und dorthin geritten, aber so dicht vor der Stadt wagte sie es nicht und so setzte sie den Weg eilig zu Fuß fort.
Je näher sie der Siedlung kam, desto weiter blieb Ascalon hinter ihr zurück. Er schien zu wissen, dass sie nicht zusammen gesehen werden durften, denn irgendwann verließ er den Weg und begleitete sie nur noch im Schutz der Wiesen und Felder.
Muriel hatte die Anhöhe noch nicht erreicht, da hörte sie hinter sich einen furchtbaren Lärm, der rasch näher kam. Sie drehte sich um und sah einen Händlerkarren, der sich ihr mit holprigen Auf-und-ab-Bewegungen näherte. Die Waren auf der Ladefläche wurden nur dürftig von einer geflickten Plane bedeckt, unter der es heftig schepperte. Am Wagen selbst hing allerlei kupfernes Geschirr, das bei jedem Schlagloch klirrend und klappernd aneinanderschlug.
Der Mann auf dem Kutschbock schien es eilig zu haben. Ohne auf den Lärm zu achten, trieb er den stämmigen Kaltblüter, der den Wagen zog, durch Zurufe und Zügelschlagen an, schneller zu laufen. Den Kesseln und Töpfen nach zu urteilen musste es ein Händler sein, der auf dem Weg zum Markt war. Vermutlich trieb er sein Pferd deshalb so an, denn es war schon fast Mittag und er fürchtete wohl zu spät zu kommen.
Muriel trat zur Seite und ließ das Gespann passieren. Der Anblick des Händlerkarrens vertrieb auch ihre letzten Zweifel. Sie war angekommen. Vor ihr lag das mittelalterliche Willenberg. Ascalon hatte sie tatsächlich in die Vergangenheit gebracht. Der Gedanke machte ihr ein wenig Angst, aber die Neugier war stärker. Wo sie schon mal hier war, wollte sie auch mehr von dieser Welt sehen. Und Ascalon war ja noch ganz in der Nähe.
Sie wollte gerade weitergehen, als sie aus den Augenwinkeln auf der nahen Wiese eine Bewegung bemerkte. Verwundert drehte sie sich um und sah einen Jungen, der über die Wiese auf sie zugelaufen kam. Er war einen Kopf größer als sie und vermutlich auch etwas älter.
»He, du! Warte mal!«, rief er ihr zu.
Ein heißer Schrecken durchzuckte sie. Unsicher, was sie tun sollte, warf sie einen raschen Seitenblick auf Ascalon, doch der hatte gut hundert Meter entfernt unter einem Apfelbaum zu grasen begonnen und schien sich nicht um den Fremden zu kümmern. Der Junge kam immer näher. Er war barfuß und trug eine schlabberige, zerschlissene Hose. Das geschnürte Hemd aus hellem Leinen hing zur Hälfte aus der Hose heraus. Dazu trug er eine enge Lederkappe, die Muriel stark an die scheußlichen Mützen erinnerte, die Vivien als Säugling immer getragen hatte.
Bei dem Jungen sah die Kappe geradezu lächerlich aus, denn darunter fielen ihm die schwarzen lockigen Haare bis auf die Schulter hinab.
Um Atem ringend blieb er vor Muriel stehen, nahm die Kappe vom Kopf und knetete sie verlegen in den Händen.
»Verzeih, dass ich dich einfach so anspreche«, sagte er. »Aber du … du bist fremd hier.«
Muriel zog verwundert die Stirn kraus. »Ja und?«
»Gehst du nach Willenberg?«
»Ja.«
»Gut«, der Junge grinste. Sein rechter Schneidezahn fehlte. »Dann begleite ich dich – Wenn es dir recht ist.«
Muriel war sich nicht sicher, was sie darauf antworten sollte. Der Junge schien nett zu sein, aber sie wäre eigentlich lieber allein geblieben. Andererseits konnte er ihr bestimmt auch behilflich sein.
»Ist es.« Muriel nickte gönnerhaft und setzte sich in Bewegung. »Wie heißt du?«
»Christoph.« Der Junge setzte die Kappe wieder auf den Kopf und ging neben ihr her. »Ich lebe bei meinem Oheim Matthis Wölfling. Ihm gehört die Mühle an der Wille. Und
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