Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
Reiten völlig ungeeignet und deshalb bis zu den Knien hochgerutscht war. Ein heller Unterrock schaute darunter hervor. Ihre Füße waren nackt.
Sie sah auf ihre Arme, aber hier bot sich ihr ein ähnliches Bild. Statt T-Shirt und Sweatjacke hatte sie eine beigefarbene Bluse mit langen Ärmeln an, die an den Ellenbogen und Handgelenken gerafft war und aus dem gleichen kratzigen Gewebe bestand wie das Kleid. Die Bluse hatte keine Knöpfe, aber einen großen Halsausschnitt, der vorn mit einer Kordel geschnürt wurde.
Muriel wünschte, sie hätte einen Spiegel. Zögernd hob sie die Hand, um sich in die Haare zu fassen, aber die steckten unter einer fest gebundenen Haube, aus der kein Härchen mehr hervorschaute.
»Mach dir um deine Kleider keine Sorgen. Ascalon wird dich in die gewünschte Zeit tragen. Alles andere wird sich schon richten.«
Jetzt erst begriff sie wirklich, was die Göttin damit gemeint hatte. Sie war gekleidet wie ein junges Mädchen in dieser Zeit. Wenn sie sich unauffällig verhielt, würde niemand bemerken, dass sie aus der Zukunft kam.
Ich sollte absitzen. Der Gedanke kam ihr wie von selbst. Bestimmt geziemt es sich nicht für ein einfaches Bauernmädchen zu reiten, überlegte sie und versuchte sich daran zu erinnern, was sie im Geschichtsunterricht über das Mittelalter gelernt hatten.
Die einfachen Leute dienten damals zumeist als Vasallen einem Lehnsherren, der ihnen im Gegenzug Unterhalt und Schutz gewährte. Die Menschen besaßen nur wenig und hatten oft nicht einmal genug zum Leben. Pferde gehörten fast ausschließlich den wohlhabenden Bürgern oder Händlern. Den Armen dienten Ochsen als Zugtiere für Karren und für die Feldarbeit. Man würde sie also für wohlhabend halten, wenn sie auf Ascalon ritt.
Mit wachsendem Unbehagen betrachtete sie den schlammigen Weg und entschied dann, erst einmal weiterzureiten. Sie wusste immer noch nicht, ob sie wirklich im Mittelalter angekommen war, und wenn ja, hatte sie keine Ahnung, wie weit es noch bis Willenberg war. Der Gedanke, vielleicht kilometerweit barfuß durch knöcheltiefen Matsch waten zu müssen, war alles andere als verlockend. Muriel blickte sich um, weil sie sehen wollte, ob sich jemand von hinten näherte, aber der Weg war menschenleer.
Prima, dann reite ich weiter, entschied sie.
Jetzt, da sie angemessen gekleidet war, fühlte sie sich schon etwas sicherer. Außerdem war Ascalon ja bei ihr.
Eine Viertelstunde später lichtete sich der Wald. Die Bäume standen weiter auseinander und immer häufiger entdeckte sie im Unterholz Baumstümpfe. Offenbar kamen oft Menschen hierher, um Holz zu schlagen. Allerdings war auch das noch kein Beweis für eine mittelalterliche Welt. Rings um den Birkenhof kreischten im zeitigen Frühjahr ständig die Motorsägen, weil die Leute aus Willenberg kamen, um sich Kaminholz aus den Kronen der Bäume zu sägen, die die Gutsverwaltung im Winter gefällt hatte.
Weiter vorn endete der Wald. Helles Sonnenlicht flutete zwischen den Bäumen hindurch und berührte den Waldboden mit goldenen Strahlen.
Nun wurde Muriel doch etwas mulmig zumute. Obwohl der Weg immer noch matschig war, entschied sie sich abzusitzen. Die Gefahr, entdeckt zu werden, war nicht zu unterschätzen.
Der aufgeweichte Boden war kühl und glitschig.
Muriel verzog angewidert das Gesicht, als ihr der Schlamm zwischen den Zehen hindurchquoll, ging aber tapfer weiter. Gefolgt von Ascalon, der brav hinter ihr hertrottete, verließ sie den Wald und gelangte auf eine sonnenbeschienene Wildblumenwiese. Hier war der Weg weitgehend trocken. Nur vereinzelt gab es noch Pfützen. Im getrockneten Erdreich waren Hufabdrücke von Pferden und Ochsen zu erkennen, aber auch Fußspuren und tiefe Furchen von Wagenrädern. Offensichtlich wurde dieser Weg viel genutzt, auch wenn Muriel bisher noch niemandem begegnet war.
Am Ende der Wiese mündete der Weg in Felder, auf denen Getreide spross. Sie waren klein und von Unkraut durchwachsen. Kamille und Klatschmohn boten einen farbenprächtigen Anblick, nahmen dem kümmerlichen Getreide aber auch den Raum zum Wachsen.
Im Gegensatz zum Wald muteten die Felder überaus mittelalterlich an und nährten in Muriel die Hoffnung, dass Ascalon der Zeitsprung wahrhaftig gelungen war.
Kein Wunder, dass die Menschen damals Hunger litten, überlegte sie und rief sich den Anblick der viele Hektar großen Felder des Willenberger Gutshofes mit ihren dicht an dicht stehenden Ähren in Erinnerung. Die Ernte hier wird sicher
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