Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
wer bist du?«
»Murie … Marie«, erklärte Muriel schnell.
»Was suchst du hier so allein?«, wollte Christoph wissen.
Muriel überlegte fieberhaft, dann fiel ihr etwas ein. »Meine Mutter ist Weinhändlerin. Wir waren auf dem Weg zum Markt. Aber im Wald ist die Achse unseres Karrens gebrochen. Sie schickte mich aus, damit ich in Willenberg um Hilfe bitte.«
»Oh, das wird aber nicht leicht werden.« Christoph machte ein betrübtes Gesicht.
»Warum?«
»Weil heute Nachmittag auf dem Markt öffentlich Gericht gehalten wird«, erklärte der Junge. »Das will sich niemand entgehen lassen.«
»Du wohl auch nicht?« Muriel grinste.
»Nö.« Christoph grinste zurück. »Mein Oheim hat es mir zwar nicht gestattet, zum Prozess nach Willenberg zu gehen. Aber wenn ich dir helfen kann, ist das natürlich etwas anderes.«
Gemeinsam gingen sie über die Anhöhe. Muriel hatte große Mühe, sich ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen, als sie Willenberg zum ersten Mal vor sich sah. Es war viel kleiner, als sie vermutet hatte. Die meisten der mit Schindeln und Stroh gedeckten Häuser waren ihr unbekannt, aber es gab auch Gebäude, die sie schon aus der Ferne wiedererkannte: die Kirche zum Beispiel. Sie stand in der Mitte des Dorfes und überragte alle anderen Häuser um mehr als das Doppelte. Es schien, als wären die Jahrhunderte nahezu spurlos an ihr vorübergegangen. Das Mauerwerk war heller, als Muriel es in Erinnerung hatte, und statt der roten Dachpfannen bedeckten schwarze Schindeln das Kirchenschiff, ansonsten aber sah sie genauso aus wie die Kirche im Willenberg ihrer Zeit.
Staunend ging sie neben Christoph in das Dorf. Nun war sie doch froh, dass er sie begleitete. Offenbar war er im Dorf bekannt wie ein bunter Hund. Jeder, dem sie begegneten, sprach ihn an und manche erkundigten sich auch nach Muriel. Christoph erwiderte jeden Gruß und gab höflich Auskunft, doch alle, die er um Hilfe für den verunglückten Wagen der Weinhändlerin bat, winkten ab. Es war, wie er gesagt hatte: Niemand wollte sich die bevorstehende Urteilsverkündung entgehen lassen.
Muriel war das nur recht. So hatte sie mehr Zeit, sich in Willenberg umzusehen, eigene Eindrücke vom täglichen Leben im Mittelalter zu gewinnen und zu bewundern, was sie sonst nur aus Geschichtsbüchern kannte.
Die kleinen Fachwerkhäuser am Rand des Dorfes waren hübsch anzusehen, aber Muriel erkannte schnell, dass sie ärmlich eingerichtet waren und den großen Familien nur wenig Platz boten. In den Gassen und Wegen zwischen den Häusern spielten Kinder. Für einen Augenblick hatte Muriel das Gefühl, Teil eines Films aus dem Mittelalter zu sein. Doch die Wirklichkeit holte sie sogleich ein, denn was aus der Ferne romantisch wirkte, zeigte von Nahem sein wahres Gesicht.
Muriel war entsetzt, als sie sah, wie schmutzig die Straßen waren. Der Regen hatte wohl einen Großteil des Unrats fortgespült, dennoch war nicht zu übersehen, dass die Menschen offenbar nur wenig Wert auf Sauberkeit legten. Pferde- und Ochsenkot mischten sich mit dem noch feuchten Schlamm der ungepflasterten Wege zu einem eklig stinkenden Brei. Der strenge Geruch nach Unrat und Fäulnis war an manchen Stellen so schlimm, dass Muriel übel wurde. Sie hielt den Atem an und ging schnell weiter, um dem Gestank zu entkommen.
»Wo willst du hin?«, hörte sie Christoph fragen, den die Ausdünstungen nicht zu stören schienen.
»Zum Marktplatz.« Muriel antwortete ganz automatisch.
»Hast du Hunger?«
Die Frage erinnerte Muriel daran, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Und als hätte er nur auf ein Zeichen gewartet, begann ihr Magen zu knurren.
»Nein«, sagte sie.
»Das hörte sich aber ganz anders an.« Christoph sah sie von der Seite her an. »Du hast keinen Pfennig bei dir. Hab ich recht?«
Muriel nickte beschämt.
»Was hast du nur für eine ehrlose Mutter, dass sie dich ohne Speis und Trank auf einen so weiten Weg schickt?«, ereiferte sich Christoph und sagte dann: »Komm mit, ich weiß, wo wir etwas zu essen bekommen!« Er griff nach ihrer Hand – und hielt verwundert inne.
»Was ist los?«, fragte Muriel.
»Deine Hand.« Staunend hob Christoph ihre Hand in die Höhe, um sie besser ansehen zu können. »Sie ist so weich und zart, wie nur die Hand einer Edelfrau es sein kann.«
»Blödsinn, ich bin keine Edelfrau.« Hastig zog Muriel die Hand zurück.
Christoph schien nicht überzeugt, sagte aber nichts. Für einen Augenblick schaute er sie noch stirnrunzelnd
Weitere Kostenlose Bücher