Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
Augenblick nichts sehen. Schnell kniff sie die Augen zusammen, damit diese sich an die Dunkelheit gewöhnten.
Als sie sie blinzelnd wieder öffnete, sah sie die Frau. Sie stand keine zehn Meter entfernt mitten auf dem Weg und reckte ihr die Arme flehend entgegen. Jedes andere Pferd hätte sie gewiss über den Haufen geritten, aber Ascalon reagierte, ohne dass Muriel ihn anweisen musste. Wie durch ein Wunder kam er unmittelbar vor der Frau zum Stehen, schüttelte schnaubend die Mähne und scharrte nervös mit dem Huf.
Muriel war so erschrocken, dass sie im ersten Augenblick kein Wort herausbekam. Als sei sie ein Gespenst, starrte sie die junge Frau an, die da mit kurz geschorenen Haaren und einem sackähnlichen Kittel vor ihr stand und mit großen Augen zu ihr aufschaute.
Dieselbe Frau, die vorhin auf dem Marktplatz vor aller Augen aus Willenberg verstoßen wurde.
»Helft mir, edle Frau«, sagte sie mit bebender Stimme. »Bitte helft mir. Ich habe Hunger und Durst und weiß nicht, wohin. Wendet Euch nicht ab, ich flehe Euch an. Ihr seid meine letzte Hoffnung.«
»Ich habe weder zu essen noch zu trinken bei mir.« Es brach Muriel fast das Herz, dem Mädchen in ihrem Elend nicht helfen zu können. Sie war wirklich noch sehr jung. Vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, also nicht viel älter als sie selbst. Aber in diesen Zeiten galt sie vermutlich schon als erwachsen.
Muriel fühlte sich ihr irgendwie verbunden. Nach allem, was sie hatte erdulden müssen, hätte sie ihr wirklich gern geholfen. Doch sie besaß ja selbst nichts außer der Kleider, die sie am Leib trug. Dann hatte sie eine Idee: »Wenn du willst, kannst du bei mir aufsitzen. Mein Pferd ist ausgeruht und kräftig. Es kann dich bestimmt irgendwo hinbringen, wo man dir helfen kann. Zu Verwandten vielleicht, die dich aufnehmen oder zu einem Kloster, in dem man sich um dich kümmern wird.«
»Das … das würdet Ihr wirklich für mich tun?« Die vom Weinen rot verquollenen Augen der jungen Frau leuchteten, als sie das hörte. »Gott segne Euch!« Sie ergriff Muriels Hand und presste sie sich gegen die Stirn. »Gott segne Euch«, sagte sie noch einmal.
Ascalon schüttelte die Mähne und scharrte noch etwas heftiger mit dem Huf. Aber Muriel achtete nicht darauf. Sie war so glücklich, etwas für die Verstoßene tun zu können, dass sie es nicht einmal bemerkte.
»Gibt es denn einen Ort, an den ich dich bringen könnte?«, fragte sie.
»Einen Tagesmarsch von hier in Sudweil lebt eine Anverwandte von mir«, erklärte die Frau. »Wenn Ihr mich dorthin brächtet, wäre ich sehr glücklich.«
»Natürlich! Komm, ich helfe dir beim Aufsitzen.« Muriel streckte der Frau die Hand entgegen.
Im gleichen Augenblick trabte Ascalon an.
»Ascalon!« Muriels Stimme gellte durch den Wald. »Steh, Ascalon!« Aber Ascalon blieb nicht stehen. Muriel schaute sich um und sah, wie die Frau ihr ein Stück hinterherlief, auf die Knie sank und die Hände verzweifelt vors Gesicht schlug.
»Ascalon!« Muriel war außer sich. »Was ist denn bloß in dich gefahren? Kehr sofort um, damit wir der armen Frau helfen können. Brrr … Ascalon, steh!«
Aber Ascalon hörte nicht auf sie. Sosehr sie auch schimpfte, flehte und bettelte. Er dachte gar nicht daran umzukehren. Die Frau blieb rasch hinter ihnen zurück, wurde zu einem hellen Fleck auf dem dunklen Waldboden und war kurz darauf nicht mehr zu sehen.
»Du bist gemein … gemein.« Wütend trommelte Muriel mit den Fäusten auf Ascalons Nacken. Sie hatte der Frau doch nur helfen wollen.
Zurück durch die Zeit
Ascalon lief immer schneller und galoppierte den Waldweg entlang, bis die Bäume und Sträucher des Waldes mit dem Licht der Abendsonne zu einem grün-goldenen Muster verschmolzen.
Gleich würde der Zeitsprung kommen. Obwohl sie immer noch wütend war, hielt Muriel den Atem an und klammerte sich an der Mähne fest. Sie spürte jede einzelne der kraftvollen Bewegungen, hörte den dumpfen Dreischlag der Hufe auf dem Waldboden und vergaß vor Anspannung sogar ihren Ärger über Ascalons störrisches Verhalten.
Dann wurde es finster, still und eisig kalt. Wie schon bei ihrem ersten Ritt durch die Zeit schossen wie aus dem Nichts die gleißenden Blitze heran, die sie aufzuhalten versuchten. Und wie schon beim ersten Mal galoppierte Ascalon unbeirrt weiter, während sein Fell unter der Kraft der Blitze zu schimmern begann und Funken aus seiner Mähne stoben.
Es dauerte nicht lange, da fand sich Muriel in der schon
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