Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
Soldaten, die die junge Frau aus der Stadt geführt hatten. Offenbar hatten sie ihre Pflicht erfüllt, denn sie kehrten ohne die Frau nach Willenberg zurück.
Ein Schauer lief Muriel über den Rücken, als sie daran zurückdachte, was sich auf dem Marktplatz abgespielt hatte.
Die Menschen haben es einfach geschehen lassen, überlegte sie. Selbst jene, die sie für unschuldig hielten, haben nichts gesagt. Muriel konnte das nicht verstehen.
»Man darf nicht wegsehen, wenn anderen ein Unrecht geschieht«, sagte ihre Mutter immer . »Wer nicht hilft, macht sich mitschuldig am Unglück der anderen.«
Hier hatten alle weggesehen. Niemand hatte auch nur ein gutes Wort für die arme Frau eingelegt, die doch selbst immer wieder ihre Unschuld beteuert hatte.
»Eine düstere Zeit«, hatte die Göttin zu Muriel gesagt. Und sie hatte mit »Ich weiß« geantwortet. Aber das war falsch. Nichts hatte sie gewusst. Gar nichts. Ein paar Sätze in einem Geschichtsbuch konnten nicht beschreiben, was sie in dieser kurzen Zeit hier für Eindrücke gewonnen hatte.
In dieser Zeit hätte sie nicht leben wollen, dessen war sie sich schon jetzt sicher. Aber dafür war sie ja auch nicht hierhergekommen. Sie hatte Beweise gesucht und gefunden. Sie war eindeutig im mittelalterlichen Willenberg gewesen. Die Göttin hatte die Wahrheit gesagt: Ascalon konnte wirklich durch die Zeit reisen.
Auf der Straße ertönte Hufschlag. Muriel hob den Kopf und sah Ascalon den Weg entlangkommen. Seine Mähne glänzte im Sonnenlicht und sein Fell schimmerte, als wäre es aus Seide. Als er sie erkannte, wieherte er freudig und kam auf sie zu.
»Du hast wohl meine Gedanken gelesen«, begrüßte sie ihn lachend. Dann stand sie auf, schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte die Wange an sein weiches, sonnenwarmes Fell. Für wenige Atemzüge stand sie so da, rührte sich nicht und genoss die vertraute Nähe des Pferdes. Dann kletterte sie auf den Felsen, um sich das Aufsitzen zu erleichtern, schwang sich auf Ascalons Rücken und sagte zu ihm: »Ich bin sehr durstig und würde gern etwas trinken. Danach möchte ich aber wieder zurückreisen.«
Ascalon schnaubte leise, wandte sich um und trabte auf den Wald zu. Muriel fürchtete, dass er gleich den Rückweg antreten würde, aber Ascalon schien sie sehr wohl verstanden zu haben. Auf halbem Weg zum Wald bog er auf eine Wiese ein und galoppierte mit Muriel darüber hinweg. Ein Bauer, der in der Ferne mit einer Sense arbeitete, hielt bei der Arbeit inne und sah ihnen verwundert nach.
Aber nun war es Muriel gleichgültig, ob man sie auf Ascalon reiten sah. Sie schaute voraus und erkannte das silberne Band eines kleinen Flusses, der sich, von hohen Schwarzerlen gesäumt, wie eine Schlange durch die ausgedehnte Wiesenlandschaft wand.
Die Wille. Gleich darauf tauchte die Willenberger Wassermühle hinter den Erlen auf. Das auf Feldsteinen errichtete Fachwerkhaus sah fast so aus, wie Muriel es aus ihrer Zeit kannte, nur dass es jetzt natürlich nicht verfallen und unbewohnt war. Sogar das große hölzerne Mühlrad drehte sich klappernd.
Muriel erinnerte sich, dass die Mühle Christophs Onkel gehörte. Bei dem Gedanken wurde ihr etwas unbehaglich zumute. Aber Ascalon hatte gar nicht vor, zur Mühle zu laufen. Er nahm den direkten Weg zum Flüsschen, hielt an einem sandigen Uferstück inne und begann zu saufen.
Muriel sprang von seinem Rücken, kniete am Ufer nieder und schöpfte sich das Wasser mit den Händen in den Mund. Sie war so durstig wie schon lange nicht mehr und froh, endlich etwas trinken zu können. In ihrer Welt hätte Mam ihr streng verboten, das Wasser der Wille an dieser Stelle zu trinken, weil die Abwässer des Willenberger Klärwerks ein Stück flussaufwärts eingeleitet wurden, aber selbst das wäre ihr in diesem Augenblick egal gewesen.
Zu ihrer großen Überraschung war das Wasser klar und schmeckte einfach köstlich. Ganz anders als das trübe und modrig riechende Willewasser ihrer Tage, das im Frühling, wenn die Algen blühten, oft so grün wie Götterspeise wurde.
»Ich danke dir, mein Freund«, sagte sie zu Ascalon, als sie getrunken hatte, klopfte ihm freundschaftlich den Hals und fügte hinzu: »Und jetzt bring mich nach Hause.«
Wie der Wind flog Ascalon über die Wiese dahin auf den fernen Wald zu. Muriel war aufgeregt. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis er den Sprung durch die Zeit wagte.
Als sie aus dem Sonnenschein in den schattigen Wald ritten, konnte sie für einen
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