Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
ihren Aufgaben stellten, so unheimlich und finster die Gegner auch sein mochten. Wie oft hatte sie sich beim Lesen oder im Kino gewünscht, auch einmal ein solches Abenteuer zu erleben, wie sehr hatte sie die Kinder darum beneidet …
Und jetzt?
Jetzt wäre sie am liebsten weit fort gewesen an einem sicheren Ort ohne brüllende Affen und andere, weitaus schlimmeren Gefahren, die hier noch auf sie lauern mochten. Dies war weder ein Film noch ein Buch, von dem man wusste, dass es am Ende gut ausging, dies war die Realität mit ungewissem Ausgang und sie war mittendrin.
Eine Woge von Trauer erfasste sie, als sie sah, wie Ascalon im Dschungel verschwand. Alles in ihr schrie danach, ihm zu folgen oder ihn zurückzurufen. Aber sie tat es nicht.
»Ihr Menschen überschätzt euch leider oft. Dann bleibt Ascalon nichts anderes übrig, als sich einen neuen Gefährten zu suchen.«
Die Worte der Göttin kamen ihr wieder in den Sinn und hielten sie davon ab, der Angst nachzugeben. Sie wollte Ascalon auf keinen Fall verlieren. Dafür war sie bereit, so manchen Kampf auszufechten – auch den gegen ihre eigenen Ängste. Ihr blieb jedoch nicht die Zeit, noch länger drüber nachzudenken, denn dort, wo die Affen kurz zuvor geflohen waren, erklang in diesem Augenblick ein rollendes und kollerndes Geräusch, das sie, so absurd es auch klingen mochte, irgendwie an einen startenden Motor erinnerte.
Ein Motor? Muriel runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass Ascalon in der falschen Zeit gelandet war? Sie richtete sich auf und schaute zu der Stelle hinüber, von der die Geräusche kamen, und sah, wie sich ein rot und blau gefärbter truthahnähnlicher Kopf kaum 20 Meter entfernt aus dem Gebüsch hervorschob. Ein kurzes Zögern, ein wachsamer Blick. Dann trat ein großer, in Rot, Blau, Grün und Violett auffallend bunt gefiederter Truthahn mit lauten »Rrrroa-rrrroa«-Rufen aus dem Wald und auf die Lichtung hinaus. Ihm folgten in gemessenem Abstand fünf kleinere und etwas weniger auffällig gefärbte Weibchen.
Muriel schmunzelte.
Röhrende Affen und ein Truthahn, der aussah wie ein Pfau und Motorengeräusche machte. Was waren das hier nur für seltsame Tiere? Am liebsten wäre sie aufgestanden, um die exotischen Vögel näher zu betrachten, aber eine leise Stimme mahnte sie zur Vorsicht. Ascalon war bestimmt nicht wegen der Truthühner verschwunden. Es musste etwas anderes sein, das ihn so zur Eile gedrängt hatte.
Ah Hunahpu
Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende geführt, da bemerkte sie eine Veränderung am Rand der Lichtung.
Dort, wo der Truthahn und die Hennen das Dickicht verlassen hatten, tat sich etwas. Zunächst war es kaum zu erkennen, nur ein paar Blätter, die sich unnatürlich hin und her bewegten. Eine Hand tauchte auf, schob die Äste behutsam zur Seite und ein Junge huschte in gebückter Haltung auf die Lichtung hinaus. Er hatte schulterlange schwarze Haare, dunkelbraune Haut und war nur mit einem hellen Lendenschurz bekleidet. In der Hand hielt er einen Bogen und trug einen Köcher mit Pfeilen über der Schulter. Sein Alter ließ sich nur schwer schätzen, Muriel vermutete aber, dass er nicht viel älter als sie selbst war. Schnell duckte sie sich, damit er sie nicht entdeckte, aber der Junge hatte nur Augen für die Truthühner. Lautlos folgte er den großen Vögeln durch das hohe Gras, während er mit einer geschmeidigen Bewegung einen Pfeil aus dem Köcher zog und auf die Sehne legte. Als ihn nur noch zehn Schritte von den Tieren trennten, spannte er den Bogen und richtete sich auf.
Der Truthahn und die Hennen schienen die Gefahr nicht zu bemerken. Sie standen jetzt dicht beisammen auf einer freien Fläche und pickten eifrig Larven aus einem wimmelnden Ameisenhaufen.
Dann ging alles sehr schnell. Der Truthahn fuhr ruckartig herum und stieß einen kollernden Warnlaut aus, worauf die Hennen augenblicklich in alle Richtungen auseinanderstoben und im hohen Gras verschwanden. Für den bunten Vogel aber gab es kein Entrinnen. Im gleichen Augenblick, als er den Jungen bemerkte, verließ der Pfeil auch schon die Sehne und bohrte sich nur Bruchteile von Sekunden später in die Brust des Truthahns.
Der Junge gab einen erfreuten Laut von sich, lief zu dem getöteten Vogel, packte ihn an den Beinen und hob ihn hoch. Sichtlich zufrieden begutachtete er das prächtige Tier von allen Seiten und drehte es so, dass die bunten Federn im Sonnenlicht schimmerten. Dabei bewegte er sich immer weiter in Muriels Richtung, die
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