Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
Gefahren lauern. Echte Gefahren. Und anders als in einem Traum würde es hier kein gnädiges Erwachen geben, das sie aus einer brenzligen Situation würde retten können.
Muriel hob die Hand, um sich eine Strähne aus der Stirn zu streichen, und hielt überrascht inne. Ihre Unterarme schmückten breite Lederarmbänder. Wie schon bei ihrem ersten Ritt in die Vergangenheit war ihre alltägliche Kleidung verschwunden. Statt Jeans und Top trug sie einen bunten, gewickelten Rock aus Pflanzenfasern, der ihr bis zu den Hüften hochgerutscht war, weil er sich nicht zum Reiten eignete. Ein gleichfarbiger Schal lag ihr um die Schultern. Ihre Füße waren wieder nackt. Von den Sneakers fehlte jede Spur.
Ein Gefühl am Hals lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Ohrschmuck aus bunten Federn, der ihr bis auf die Schultern herabhing, und auf lange weiße Bänder, mit denen ihr Haar im Nacken zusammengehalten wurde.
So kleideten sich bestimmt die Mayafrauen, überlegte sie und betrachtete die kreisförmigen Muster aus Rostrot, Beige und Schwarz, die in den Schal und Rock eingewebt waren.
Plötzlich ertönte im Dickicht am Rand der Lichtung ein lautes und kehliges Grunzen.
Muriel zuckte zusammen und sah auf.
Das Grunzen wurde immer schneller und ging in ein lang gezogenes, tiefes Röhren über, das ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Die Fantasie spielte ihr üble Streiche, als sie versuchte sich vorzustellen, welche Kreatur wohl in der Lage sein mochte, diese unmenschlichen Laute hervorzubringen.
Und es wurde noch schlimmer.
In das Röhren und Grunzen stimmten weitere Geschöpfe ein.
Wer immer sich dort im Gebüsch verbarg, war nicht länger allein. Der vielstimmige Chor schwoll rasch an und wurde schließlich so laut, dass er alles andere übertönte.
Ich muss hier weg! Panik stieg in Muriel auf und drängte sie zur Flucht. Jeden Augenblick konnte die Horde aus dem Dickicht hervorbrechen und über sie herfallen.
»Lauf, Ascalon!«, rief sie und hieb dem Wallach die bloßen Fersen in die Seite. Aber Ascalon rührte sich nicht. Er hatte die Ohren gespitzt und starrte auf die Bäume am Rand der Lichtung, aus denen das unheimliche Brüllen kam.
»Ascalon! Lauf! Lauf doch endlich!« Muriels Stimme bebte, während sie den Schenkeldruck weiter verstärkte und versuchte, ihrem Befehl durch ruckartiges Auf- und Abhopsen Nachdruck zu verleihen. »Jetzt lauf schon!«
Aber Ascalon ließ sich nicht beirren. Er stand einfach nur da und ließ den Wald nicht aus den Augen.
Die ungewohnte Sturheit machte Muriel wütend. Sie wollte sich umdrehen und ihm mit der flachen Hand einen Klaps auf das Hinterteil geben, da kam Bewegung in das starre Grün, hinter dem sich die unheimlichen Wesen versteckten. Blätter raschelten, Zweige knackten und Äste schlugen wild aneinander, als sich eine Gruppe großer schwarzer Brüllaffen von ihrem Ruheplatz erhob, um sich röhrend und grunzend auf den Weg in höhere Regionen der Baumkronen zu machen. Ihr Brüllen hallte noch eine ganze Weile durch den Wald, ehe es schließlich so plötzlich erstarb, wie es gekommen war.
»Affen!« Muriel fiel ein Stein vom Herzen. Sie atmete auf, schüttelte lachend den Kopf und sagte halb belustigt, halb beschämt: »’tschuldige, Ascalon. Ich glaube, ich muss mich hier noch an so manches gewöhnen.«
Ascalon reagierte immer noch nicht. Obwohl die Affen längst fort waren, starrte er weiter auf die Stelle im Dickicht.
»He, die Affen sind weg«, sagte Muriel aufmunternd und tätschelte ihm den Hals. »Du kannst dich wieder …« Sie stockte, weil etwas ihr Bewusstsein streifte. Es waren keine Worte und keine Gedanken, mehr ein Gefühl der Eile, das sie drängte, sofort abzusitzen und sich ruhig zu verhalten.
Offenbar spürte Ascalon etwas und wollte es ihr mitteilen.
Muriel zögerte nicht. Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt sie von Ascalons Rücken und duckte sich ins hohe Gras, während der Wallach sich sogleich in Bewegung setzte und auf den nahen Waldrand zulief.
Ich bin allein.
Die Worte schlichen sich wie von selbst in Muriels Gedanken und schürten die Angst in ihr. Angst vor der fremden Welt, Angst vor dem Alleinsein, Angst zu versagen und davor, nicht wieder nach Hause zu kommen. Dabei wäre sie so gern mutig gewesen; wie Mio, der Held aus ihrem Lieblingsbuch, der sich ganz unverhofft im Land der Ferne wiederfindet und dort dem grausamen Ritter Kato die Stirn bietet, oder wie die anderen Kinder aus Fernseh- und Kinofilmen, die sich mutig
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