Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
Zentrum einer sich weithin ausbreitenden Ebene mit Obstbäumen und Feldern, auf denen Baumwolle, Kaffee, Mais und verschiedene Gemüsesorten angebaut wurden.
Zwischen den Feldern und Obstbäumen waren unzählige Hütten mit Strohdächern zu sehen, die oft in kleinen Gruppen erbaut worden waren. Je näher sie der Stadt kamen, desto enger standen die Häuser beisammen. Die Felder und einfachen Strohhütten der Bauern wichen Steinhäusern, die von bescheidenem Wohlstand kündeten, und allerorten konnte man Handwerker sehen, die ihrer Arbeit nachgingen.
Muriel fehlten die Worte. Obwohl sie in Filmen und Büchern schon einiges über die Maya gesehen, gehört und gelesen hatte, überwältigte sie der Anblick so sehr, dass sie keinen Ton herausbrachte. Sie spürte, dass Tikal mehr war als nur eine Stadt. Vor ihr lag ein gewaltiges Machtzentrum, das Herz eines Volkes, das eine unvorstellbar große Anzahl von Menschen beherbergte.
»Beeindruckend, nicht wahr?« Ah Hunahpu schaute sie von der Seite her an und grinste. »Keine Sorge, du hast einen erfahrenen Führer und wirst dich mit mir schon nicht verlaufen.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf den bunten Truthahn, den er sich über die Schulter gehängt hatte, und fügte hinzu: »Sobald ich meine Jagdbeute beim Federwerker abgegeben habe, bringe ich dich zu den Priesterinnen.«
Muriel nickte stumm. Die Schönheit der monumentalen Bauwerke, die in ihrer Zeit nur als überwucherte Ruinen zu besichtigen waren, hatte sie so in ihren Bann gezogen, dass sie Ah Hunahpu gar nicht richtig zuhörte. Nur langsam wurde ihr bewusst, welch großartige Kultur hier einst geherrscht haben musste, und es drängte sie, mehr über das Leben der Menschen zu erfahren, die ihre Städte 1000 Jahre vor ihrer Zeit aus ungeklärter Ursache verlassen hatten.
»Mucen?« Ah Hunahpu schien ihr Zögern für Unsicherheit zu halten. »Du muss keine Angst haben«, sagte er. »Tikal ist groß, aber du wirst dich schnell zurechtfinden. Komm.« Er winkte ihr zu, ihm zu folgen, und betrat einen Weg, der schnurgerade durch ein nahes Maisfeld verlief.
Im Dickicht des Dschungels ertönte wieder das lang gezogene tiefe Röhren von Affen und erinnerte Muriel daran, dass sie nicht allein bleiben wollte. Sie lief los und schloss zu dem Mayajungen auf. Der Mais zu beiden Seiten des Wegs war so hoch, dass Tikal für eine Weile aus ihrem Blickfeld verschwand. Auf unbestimmte Weise fühlte sich Muriel an das Maislabyrinth erinnert, das sie im vergangenen Herbst mit Vivien und deren Freundinnen besucht hatte. Auch wenn es schon einige Monate zurücklag, konnte sie sich noch gut an den Schrecken erinnern, als eines der Mädchen plötzlich verloren gegangen war. Damals war sie allein mit den Mädchen unterwegs gewesen und hatte die Verantwortung für die sechs übernommen. Die Sorge um Viviens Freundin war so groß gewesen, dass sie noch heute manchmal davon träumte und sich ausmalte, was alles hätte passieren können.
Zwei Stunden war sie damals im Mais umhergeirrt, ehe sie das Mädchen endlich wiedergefunden und wohlbehalten zu den anderen geführt hatte.
In diesem Maisfeld war es allerdings kaum möglich, sich zu verlaufen. Nicht nur, weil der Weg gerade hindurchführte und das Feld viel kleiner war, die Maispflanzen selbst unterschieden sich auch sehr von dem Mais in ihrer Zeit. Die Kolben und Stiele waren deutlich kürzer und die einzelnen Pflanzen standen sehr viel weiter auseinander.
Es dauerte nicht lange, da traten Muriel und Ah Hunahpu aus dem Maisdickicht und fanden sich ganz unvermittelt in einem Kartoffelfeld wieder. Nicht weit entfernt arbeitete eine Gruppe von Bauern, die die Kartoffeln mithilfe von Hacken und Grabstöcken ernteten. Ähnlich wie Ah Hunahpu trugen auch sie nur einen Lendenschurz aus hellem Tuch. Die langen schwarzen Haare wurden von einem Stirnband zurückgehalten. Als sie die beiden entdeckten, blickten sie kurz auf, grüßten aber nicht und wandten sich gleich wieder ihrer Arbeit zu.
Ah Hunahpu führte Muriel zielstrebig weiter. Vorbei an Obstbäumen und den Strohhütten der Bauern, vor denen kleine Kinder spielten, und weiter durch Felder, auf denen Bohnen, Kürbisse, Tomaten, Kakao und Baumwolle angebaut wurde. Muriel kam aus dem Staunen nicht heraus.
Wohin sie auch blickte, alles wirkte auf sie wohlgeordnet und gut durchdacht. Bis auf die ganz kleinen Kinder schienen alle eine feste Aufgabe zu haben. Je näher sie dem Tempelbezirk auf dem Hügel kamen, desto enger standen die
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