Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
ängstliche Quieken des kleinen Nagers und schloss die Augen. Gleich darauf ertönte ein Geräusch, das an reißenden Stoff erinnerte. Das Quieken erstarb und nur wenige Augenblicke später hörte Muriel ein abscheuliches Zischen, als der Priester das Blut des Meerschweinchens ins Feuer goss. Ein ehrfürchtiges Raunen durchlief die Reihen der Mädchen, während sich der metallische Geruch von Blut und der Gestank nach Verbranntem mit dem des Copalharzes mischte.
Muriel wurde übel, aber es war noch nicht vorbei. Zehn Meerschweinchen mussten an diesem Abend ihr Leben für das sinnlose Unterfangen hingeben, den Priesterfürsten vor dem Tode zu bewahren.
Als die blutige Zeremonie endlich ein Ende fand, war Muriel am Ende ihrer Kräfte. Ihr war übel und ihre Knie waren so weich, dass sie nur schwankend gehen konnte. Allein machte sie sich auf den Weg zum Schlafsaal. Sie sprach mit niemandem und antwortete auch nicht auf Chilas Fragen, die überhaupt nicht verstehen konnte, warum Muriel an diesem Abend auf eine Mahlzeit verzichtete.
Der Tempel des Priesterfürsten
Im Schlafsaal angekommen, legte sich Muriel sofort auf ihre Schilfmatte. Ihr Magen rebellierte noch immer und der abscheuliche Gestank aus dem Tempel schien sich in ihren Kleidern und Haaren festgesetzt zu haben. Sie wünschte, sie könne duschen und ihre Kleider wechseln, um den ekelhaften Geruch loszuwerden, wusste aber, dass es ein Wunsch bleiben würde. Wasser war kostbar in Tikal und bis zum nächsten Wasch- und Badetag war es noch lange hin.
Der leichte Windzug, der von draußen hereinkam, trug ihr den Geruch von Vanilleschoten zu. Muriel schloss die Augen, atmete tief durch und tatsächlich spürte sie nach einer Weile, wie die Anspannung langsam nachließ.
Schlafen konnte sie nicht.
Sie versuchte, an Ascalon zu denken, wie sie es oft vor dem Einschlafen tat, um gegen das Gefühl anzukämpfen, hier ganz allein zu sein, aber diesmal wollte es ihr nicht gelingen. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab und wanderten zu den blutigen Ritualen, die die Menschen von Tikal pflegten. Niemanden hier schien der Tod der Opfertiere irgendwie zu berühren. Für die Maya schien es keinen Unterschied zwischen Maiskolben und Meerschweinchen zu geben. Die Opfer wurden wie selbstverständlich hingenommen und dienten ausschließlich dazu, die Götter freundlich zu stimmen. Dabei schienen die Maya fest davon überzeugt zu sein, dass nur genug Blut fließen müsse, um Dinge zu verändern oder, wie diesmal, den Tod des Priesterfürsten aufzuhalten.
Der Gedanke erinnerte Muriel daran, dass sie schon viel zu viel Zeit vergeudet hatte. Was hatte sie denn bisher herausfinden können, außer, dass es unmöglich war, unbemerkt in den Tempel zu gelangen? – Nichts!
Mutlosigkeit und die Angst zu versagen drohten Muriel zu überwältigen, als sie sich das ganze Ausmaß ihres Mangels an Spürsinn vor Augen führte. Sie wusste weder, wo sie den Priesterkönig finden würde, noch hatte sie auch nur den Ansatz eines Plans, wie sie das Schriftstück auswechseln konnte, das ihm mit ins Grab gegeben werden sollte. Obwohl sie nun schon fast zwei Wochen bei den Maya lebte, war sie noch keinen Schritt weitergekommen.
Der Gedanke machte Muriel schmerzlich bewusst, dass sie etwas riskieren musste, wenn sie erfolgreich sein wollte. Zu sehr war sie in den vergangenen Tagen darauf bedacht gewesen, kein Aufsehen zu erregen, zu halbherzig hatte sie ihre Nachforschungen betrieben, immer in der Hoffnung, dass sich vielleicht am kommenden Tag eine günstige Gelegenheit bieten würde. Aber die Gelegenheit war nicht gekommen und sie würde auch nicht kommen, wenn sie nicht endlich etwas unternahm. Wie sagte Teresa doch immer: »Mut lässt sich nicht zaghaft probieren.« Und damit hatte sie recht. Nur wenn sie mutig war und etwas riskierte, würde sie Wege finden, die Aufgabe zu erfüllen.
Muriel spürte, wie die Entschlossenheit in ihr weiter anschwoll. Sie würde die Sache zu einem guten Ende bringen – irgendwie.
Und während sie noch darüber nachdachte, wie sie das anstellen konnte, schlief sie ein.
Nach dem morgendlichen Opferritual, das Muriel mit geschlossenen Augen und zusammengepressten Lippen in einer der hinteren Reihen über sich ergehen ließ, rief Ixchel die Mädchen noch einmal zusammen, um ihnen ein Pok-ta-Pok-Spiel anzukündigen, das für den Nachmittag des kommenden Tages angesetzt war. Die Mädchen jubelten und freuten sich, denn für die Dauer der Feierlichkeiten, die
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