Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
können, können wir auch. Wir müssen es nur üben.«
»Chila hat recht«, pflichtete Ahau ihr bei. »Wir können schon fünf mal zehn Zeichen auswendig zeichnen und kennen auch ihre Bedeutung. Und wir üben erst seit der letzten Regenzeit. Noch vier oder fünf tun, dann können wir es so gut wie die Schreiber im Tempel der Priesterfürsten, du wirst schon sehen.« Sie drehte sich um, bückte sich und öffnete den Deckel einer Binsentruhe, die in einer Ecke des Raums stand.
»Sieh dir das mal an«, sagte sie nicht ohne Stolz und hielt Muriel einen kleinen Stapel Rindenpapierblätter entgegen. »Das ist mein erstes eigenes Faltbuch. Ich habe sogar die Blätter selbst zusammengeklebt.«
»Das hast du gezeichnet?« Staunend nahm Muriel das Faltbuch in Empfang. Die Bilder und Zeichen darauf waren ihr fremd, aber da sie jetzt wusste, dass nicht alle Maya lesen und schreiben konnten, machte es ihr nichts aus, ihre Unwissenheit auch zuzugeben. »Was steht da?«
»Eigentlich nichts.« Ahau grinste schief. »Es sind im Grunde nur Schreibübungen mit den Schriftzeichen, die wir schon gelernt haben. Ich wollte nur mal sehen, wie es sich als Faltbuch so macht.«
»Dafür sieht es aber schon richtig gut aus.« Muriel spürte, wie unangenehm es Ahau war, dass sie noch keinen richtigen Text geschrieben hatte, und wollte etwas Nettes sagen. »Du hast die Figuren sauber gezeichnet und alles so perfekt in die Zeilen geschrieben wie die Schreiber des Priesterfürsten. Das ist unglaublich.«
»Sieh mal, das sind meine Schriftzeichen.« Chila reichte ihr ein paar lose Blätter. Auch hier waren die Figuren mit dünnen farbigen Pinselstrichen so sorgfältig aufgebracht, dass Muriel nur staunen konnte.
»Ihr beide seid wirklich begnadete Zeichner«, sagte sie, während sie den Mädchen die Papiere zurückgab. »Ich bin sicher, ihr werdet euer Ziel erreichen.«
»Wir … wir wollten dich eigentlich fragen, ob du mitmachen möchtest?« Ahau lächelte schüchtern und erklärte, noch ehe Muriel etwas dazu sagen konnte: »Weißt du, wir machen das immer so, dass nur eine von uns hierherkommt und die andere die gemeinsame Aufgabe allein erledigt. Wenn wir zu dritt wären, könnten auch mal zwei von uns hierhergehen, während die Dritte die anderen deckt – verstehst du? Es … es ist immer etwas unheimlich hier, so alleine, und auch gefährlich. Einmal hatte ich sogar schon Besuch von einem Chulul*, den ich nur mit der Fackel vertreiben konnte.« Sie redete schnell und mit geröteten Wangen, ganz so, als ob es ihr unangenehm sei, Muriel danach zu fragen.
Muriel schwieg. Was sollte sie darauf antworten? Sie hatte doch gar keine Zeit, mit den beiden hier zu sitzen und Schriftzeichen zu üben. Die wenigen freien Stunden, die ihr zur Verfügung standen, musste sie dringend dafür nutzen, endlich einen Plan zu entwickeln, um in den Tempel des Priesterfürsten zu gelangen.
Sie seufzte im Stillen. Wie gern hätte sie dabei ihre Freundinnen um Hilfe gebeten. Chila und Ahau wussten so viel mehr als sie und würden ihr sicher helfen können. Aber das war ihr streng verboten. Sie musste allein einen Weg finden, ihre Aufgabe zu meistern.
»Magst du nicht?«, fragte Ahau vorsichtig nach, weil Muriel nicht antwortete.
»Ich … ich bin nicht sonderlich gut im Zeichnen«, antwortete Muriel ausweichend. »Ich glaube nicht, dass ich so etwas«, sie deutete auf die Schriftzeichen der beiden Mädchen, »jemals zu Papier bringen könnte.« Sie schüttelte betrübt den Kopf. »Es ist wirklich lieb von euch, dass ihr fragt, aber ich würde euch sicher nur aufhalten.«
Chila und Ahau wechselten betroffene Blicke. Offenbar hatten die beiden fest damit gerechnet, Muriel für ihre Sache gewinnen zu können. Eine Weile herrschte betretenes Schweigen, dann fragte Chila: »Aber du verrätst uns doch nicht – oder?«
»Natürlich nicht.« Muriel straffte sich und schenkte den beiden ein Lächeln. »Ich fühle mich geehrt, dass ihr mich in euer Geheimnis einweiht. Und auch wenn ich nicht mitmachen kann, könnt ihr euch darauf verlassen, dass ich niemandem davon erzählen werde.«
»Dann ist es gut.« Chila wirkte erleichtert.
Auch Ahau atmete auf. »Wenn jemand davon erfährt, was wir hier tun, wird man uns sehr streng bestrafen.«
»Dann solltet ihr aufpassen, dass Zamná nichts davon mitbekommt«, sagte Muriel ernst. »Mit ihr ist nicht zu spaßen.«
»Wir …« Chila öffnete den Mund, um etwas zu antworten, verstummte aber, noch ehe ihr ein weiteres
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