Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
folgen, da spürte sie völlig unerwartet eine sanfte Berührung ihres Bewusstseins.
Ascalon! Sie hielt den Atem an und horchte in sich hinein, weil sie fürchtete, sich geirrt zu haben. Aber das Gefühl war keine Täuschung. Ascalon war hier. Sie richtete sich auf und schaute sich um, konnte in dem schattigen Dickicht aber nichts erkennen. Zwar glaubte sie einmal, eine Bewegung im Unterholz zu bemerken, doch der Eindruck war flüchtig und als sie genauer hinsah, fand sie an der Stelle nichts Ungewöhnliches vor. Dennoch, das Gefühl, nicht allein zu sein, erfüllte sie nach wie vor.
»Du musst keine Angst haben.« Ahau deutete ihr Zögern falsch. Sie lächelte und machte eine auffordernde Geste. »Es ist nichts, das du fürchten müsstest.«
»Ich weiß.« Muriel nickte zerstreut. Obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte, als Ascalon wiederzusehen, spürte sie doch, dass dies nicht der richtige Augenblick dafür war.
Schnell formte sie einen liebevollen Gedanken, den sie zusammen mit einem »Mir-geht-es-gut-Gefühl« an Ascalon sandte, in der Hoffnung, dass dieser die Botschaft verstehen würde. Dann bückte sie sich und folgte Chila unter Ranken und Wurzelgeflecht hindurch zu einer schmalen Türöffnung, hinter der ein kleiner, vom Licht einer Fackel nur spärlich erhellter Raum lag.
Das Erste, was Muriel auffiel, waren die großen Spinnweben in den Ecken und unter der Decke des Raums. Die Schöpfer der feinen Gespinste waren nirgends zu sehen, aber schon der Anblick der dicht gewebten Netze genügte, um ihr einen Schauder über den Rücken zu jagen. Normalerweise hätte sie sofort die Flucht ergriffen, aber dann entdeckte sie auf dem Boden etwas, das ihre Aufmerksamkeit weckte.
In der Mitte des Raums stand ein flacher Tisch, wie sie ihn aus dem Speisesaal kannte. Davor zwei löchrige Schilfmatten, die ihre beste Zeit schon hinter sich hatten. Auf dem Tisch lagen neben Pinseln und Farbtöpfen eine ganze Reihe kleiner Blätter, die wie Papier aussahen. Einige davon waren mit kleinen, kunstvoll gestalteten Bildern bemalt.
»Na, was sagst du?« Chila, die mit einer Fackel in der Hand neben dem Tisch stand, blickte Muriel erwartungsvoll an. Ahau, die als Letzte eingetreten war, schwieg, aber Muriel spürte, dass auch sie gespannt auf ihre Reaktion war.
»Ist das euer Geheimnis?«, fragte Muriel gedehnt. Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte, und versuchte Zeit zu gewinnen. Warum versteckten die beiden Papier und Pinsel in diesem verlassenen Teil Tikals? Als echte Maya hätte sie die Antwort natürlich gekannt. So aber musste sie versuchen es herauszubekommen, ohne sich als Fremde zu verraten. »Ihr … ihr malt heimlich?«
»Malen?« Ein Spur Empörung schwang in Chilas Stimme mit, als sie das Wort wiederholte. »Wir malen doch nicht, wir schreiben.«
»Ja, natürlich.« Muriel wusste auch ohne Spiegel, dass ihr Lächeln dümmlich wirkte. Hastig beugte sie sich über den Tisch, damit die beiden ihr Gesicht nicht sehen konnten, und tat, als betrachtete sie die Papierstücke genauer. »Stimmt, es sind Schriftzeichen, jetzt sehe ich es auch. Verzeiht, das Licht war nicht so …«
»Wir üben uns hier in der Kunst des Schreibens«, hörte sie Ahau hinter sich sagen. »Es ist nicht recht, dass nur wenige Ausgewählte das erlernen dürfen.«
»Ahau und ich wollen später einmal Schreiber werden«, ergänzte Chila voller Stolz. »Wir wollen das Wissen unseres Volkes bewahren für alle, die nach uns kommen, und ihnen erzählen, wie wir hier in Tikal gelebt haben. Stell dir mal vor, dass unsere Aufzeichnungen vielleicht noch in 1000 tun gelesen werden, ist das nicht ein wunderbarer Gedanke?«
»Aber es gibt so viele verschiedene Schriftzeichen«, erwiderte Muriel, die sich daran erinnerte, was ihre Mutter über die Maya-Schrift gesagt hatte, »und alle sind so furchtbar kompliziert und schnörkelig. Wie wollt ihr die jemals alle erlernen?«
»Ja, ja … Das ist genau das, was die Priester uns hier in Tikal auch immer erzählen, damit wir gar nicht erst auf den Gedanken kommen, die Schriftzeichen lesen oder gar schreiben zu wollen.« Chila verdrehte genervt die Augen: »Zu viele Schriftzeichen, zu schwierig das Zeichnen, zu unfähig die Hände«, wiederholte sie gelangweilt, was die Priester ihnen offenbar immer sagten. Dann ballte sie die Fäuste, straffte sich und fügte mit entschlossenem Blick hinzu: »Aber das stimmt nicht. Es ist nicht schwer. Und wir sind auch nicht unfähig. Was die Auserwählten
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