Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
mit dem Spiel einhergingen, entband die Oberste Priesterin sie von jeglichen Pflichten.
Muriel war erstaunt. Sie hatte schon einiges über das Spiel gehört, hätte aber nicht gedacht, dass es bei den Maya einen so hohen Status einnahm.
»Haben wir denn Gefangene gemacht?«, erkundigte sich eines der Mädchen.
»Nein, es spielen ausschließlich Freiwillige«, erklärte die Oberste Priesterin.
Als die Mädchen das hörten, lief ein ehrfürchtiges Raunen durch die Reihen. Offenbar war es nicht alltäglich, dass nur Freiwillige dieses Spiel spielten.
Als Chila, Ahau und Muriel wenig später aus dem Haus traten, war der Hügel, auf dem sich die Tempelstadt Tikals erhob, noch in einen zähen Morgennebel gehüllt. Die Spitzen der Stufenpyramiden wurden von dichten Schwaden verdeckt und der Schein der Opferfeuer, die dort nun Tag und Nacht brannten, waren nur hin und wieder durch den Nebel zu sehen.
Nach dem Gestank, der die Opferzeremonie im Haus der Priesterinnen auch diesmal begleitet hatte, hatte Muriel sich auf die frische Luft draußen gefreut, aber von den Wohlgerüchen des Dschungels war an diesem Morgen nichts zu spüren. In der windstillen Luft mischte sich der Rauch der Feuer mit dem Nebel, der den Geruch von Copalharz und verbranntem Fleisch gefangen hielt.
»Was für ein schöner Morgen.« Chila grinste und schulterte ihren Sack. »Dann wollen wir uns mal an die Arbeit machen.«
Wie schon tags zuvor machten sich die Mädchen auf den Weg zu den Feldern. Die Jagd gestaltete sich jedoch längst nicht mehr so einfach. Die Meerschweinchen, die Tikal zu Tausenden bevölkert hatten, waren wie vom Erdboden verschluckt, und die wenigen, die sie sahen, schienen zu ahnen, dass ihnen Gefahr drohte. Wieselflink huschten sie davon, wenn sie nur die Erschütterung von Schritten am Boden spürten, und versteckten sich in ihren sicheren Höhlen.
»Wo sind die denn alle hin?«, wunderte sich Muriel, nachdem sie eine Stunde lang erfolglos gesucht hatten.
»Na, wohin wohl?« Chila deutete auf die Pyramiden, deren abgeflachte Spitzen langsam aus dem Nebel auftauchten. »Meinst du, wir sind die Einzigen, die Meerschweinchen für die Opferpriester fangen sollen?«
»Du meinst, sie sind alle schon geopfert worden?«, fragte Muriel fassungslos. »Aber es waren doch so viele.«
»Es waren gestern ja auch viele auf der Jagd. So wie heute auch.« Chila nickte und fügte vielsagend hinzu: »Die Opferfeuer auf den Pyramiden brannten die ganze Nacht hindurch.«
»Du meinst, sie sind alle … tot?« Muriel verstummte betroffen. Was war das nur für eine grausame Religion, die die Menschen hier pflegten?
»Na ja, es sind bestimmt nicht alle Meerschweinchen gefangen worden«, warf Ahau hastig ein, die sich wohl daran erinnerte, wie schwer sich Muriel am Vortag mit der Jagd getan hatte. »Vielleicht hat es sich bei denen nur herumgesprochen, dass wir Jagd auf sie machen, und sie sind vorsichtig geworden.«
»Wie auch immer, so kommen wir nicht weiter.« Chila seufzte und schaute sich um. »Es nützt niemandem, wenn wir hier zu dritt zusammenhocken und nichts finden. Es ist besser, wenn wir uns verteilen und auf eigene Faust suchen. Wenn die Sonne am höchsten steht, treffen wir uns am Ballspielplatz und geben die Beute gemeinsam ab.«
»Das ist ein guter Plan.« Ahau nickte und schaute Muriel an. »Was meinst du?«
»Ja, das finde ich auch.« Muriel hatte Mühe, ihre Aufregung vor den anderen zu verbergen. Einen ganzen Morgen Zeit, um unbeobachtet in der Tempelstadt herumzustreifen, war genau das, was sie jetzt brauchte.
Die Mädchen verabschiedeten sich und gingen in unterschiedliche Richtungen davon. Muriel wählte einen Weg, der sie in einem großen Bogen zum Zentrum Tikals zurückführen würde. Dabei ging sie zunächst langsam und tat, als würde sie nach Meerschweinchen Ausschau halten. Als sie sicher war, dass Chila und Ahau sie nicht mehr sehen konnten, beschleunigte sie ihre Schritte.
Ihr Weg führte an der Hütte vorbei, in die Ah Hunahpu am Tag ihrer Ankunft den Truthahn gebracht hatte. Muriel erkannte die Frau sofort wieder, die vor der Hütte nahe dem Feuer am Boden saß und Mais auf einem Mahlstein zu Mehl zerrieb. Der hagere Hund lag nicht mehr vor der Hütte, aber Muriel gestattete es sich nicht, weiter darüber nachzudenken. Verstohlen rollte sie den Sack zusammen und hielt ihn so, dass die Frau ihn nicht sofort sehen würde, wenn sie aufblickte. Aber die war ganz in ihre Arbeit vertieft und bemerkte sie
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