Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
Wort über die Lippen kam. »Hört«, flüsterte sie nach einer kurzen Pause und hob mahnend den Zeigefinger. »Die Trompeten rufen alle zum Abendgebet.«
»Schon?« Ahau wirkte gehetzt. »Hunabku* sei uns gnädig, hoffentlich schaffen wir es noch rechtzeitig zurück.«
»Beeilt euch, schnell.« Chila deutete zum Eingang. Während Muriel und Ahau hinausschlüpften, löschte sie die Fackel in einer mit Sand gefüllten Tonschale und eilte den beiden hinterher. Muriel blieb nicht die Zeit, noch einmal nach Ascalon Ausschau zu halten. Zwar spürte sie seine Nähe erneut, kaum dass sie das Gebäude verlassen hatte, aber die beiden Maya rannten so schnell durch das Unterholz, dass sie Mühe hatte, ihnen zu folgen.
Als die drei 15 Minuten später das Haus der Priesterinnen erreichten, waren sie völlig außer Atem. Muriel hatte furchtbares Seitenstechen, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.
Sie kamen gerade noch rechtzeitig. Zwar hatten sich die anderen schon alle in dem kleinen Tempel versammelt, aber die Oberste Priesterin war noch nicht hinzugekommen. Der Raum war erfüllt von dem Geruch verbrannten Harzes, das in zwei großen Becken neben dem Opferschrein vor sich hin glomm. Der Schrein selbst war leer. Die Opfergaben der vergangenen Tage waren fortgeräumt worden, ein Umstand, der Muriel erstaunte. Einerseits war sie erleichtert, weil sie nun nicht mehr auf das schimmelnde Obst und verdorrte Gemüse blicken musste, das den Boden um den Altar bedeckt hatte, andererseits aber auch alarmiert: Wenn die Feldfrüchte für die Anbetung nicht mehr benötigt wurden, konnte das nur eines bedeuten …
Schritte lenkten ihre Aufmerksamkeit auf den Eingang des Tempels, noch ehe sie den Gedanken zu Ende führen konnte. Gleich darauf tauchte in der türlosen Öffnung die Gestalt der Obersten Priesterin auf, die die Zeremonie an jedem Abend leitete. Aber diesmal war sie nicht allein. Ihr folgten zwei Männer in traditionellen Gewändern.
Opferpriester. Muriel wurde abwechselnd heiß und kalt. Am liebsten wäre sie aufgestanden und davongerannt. Aber sie wusste, dass sie damit alles zerstören würde, was sie sich in den vergangenen Tagen so mühsam aufgebaut hatte. So blieb sie still sitzen, verkrampft und zitternd, und betete darum, dass es nicht so schlimm werden würde.
Die Hoffnung wurde jedoch schon im nächsten Augenblick zunichtegemacht. Als die Männer an ihr vorbeigingen, sah Muriel ihre Hände. Sie waren rostrot von geronnenem Blut: ein Zeichen dafür, dass sie an diesem Abend schon reichlich zu tun gehabt hatten.
Muriel wurde abwechselnd heiß und kalt. Ihre Handflächen waren feucht und hinter ihrer Stirn tobte ein Chaos aus Gefühlen. Sie wollte nicht mit ansehen, wie hier Tiere getötet wurden, wollte nicht dabei sein, wenn man das Blut der unschuldigen Wesen den Göttern opferte. Aber sie konnte auch nicht einfach weggehen, ohne Aufsehen zu erregen.
Hinter den Priestern ging ein Diener, der einen Sack in den Händen trug. Das Gewebe bewegte sich, als besäße es ein Eigenleben, und hin und wieder drang ein leises Fiepen daraus hervor.
Meerschweinchen! Muriel hatte das Gefühl, als krampfe sich ihr Herz zusammen. Sie hatte sich also nicht getäuscht. Mehr denn je wünschte sie sich, irgendwo anders zu sein. Überall, nur nicht hier, wo das Blut unschuldiger Tiere vergossen werden sollte, um das Leben eines Mannes zu retten, der selbst dann in wenigen Tagen sterben würde, wenn man den Göttern alle Meerschweinchen Tikals auf den Altären opferte.
»Mucen, du musst aufstehen.« Chilas Stoß mit dem Ellenbogen erinnerte Muriel daran, dass die Zeremonie begann. Wie immer wurde die Anrufung der Götter durch rituellen Tanz und Gesang eingeleitet, der von dem klirrenden Geräusch einer Rassel begleitet wurde, die die Oberste Priesterin in den Händen hielt.
Als der letzte Ton verklang, gaben die Opferpriester noch etwas Copalharz in die Feuerschalen. Zischend verdampfte es unter der Hitze, während der Diener eine weitere Feuerschale mit glühenden Kohlen vor dem Opferschrein aufstellte.
Es folgte ein kurzes Gebet der Opferpriester, in dem sie die Götter baten, das Blut der Opfertiere anzunehmen und dafür das Leben des Priesterfürsten zu verschonen. Dann griff der Diener in den Sack und holte das erste Meerschweinchen heraus, während einer der Priester vor den Altar trat und sein Opfermesser zückte. Muriel sah die schwarze Obsidianklinge* im Fackelschein unheilvoll aufblitzen, hörte das
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