Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
werden? Bedeutete ihnen ihr Leben denn gar nichts?
Mehr denn je spürte sie, wie fremd ihr die Kultur der Maya doch war. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass es Menschen gab, die ihrem Fürsten mit solch absoluter Hingabe dienten, dass sie mit Freuden ihr eigenes Leben gaben, um ihn zu retten – auch wenn es am Ende ein sinnloses Opfer sein würde.
Pok ta Pok
Als Muriel am frühen Abend zur Schule der Priesterinnen zurückkehrte, war ihr Sack immer noch leer. Den ganzen Tag über hatte sie den Eingang zum Tempel des Priesterfürsten aus sicherer Entfernung beobachtet und Erkundigungen eingeholt, indem sie mit den Leuten auf dem Platz gesprochen hatte. Allzu viel hatte sie aber nicht erfahren können. Für alle schien es nur ein Thema zu geben. Das Pok-ta-Pok-Spiel am kommenden Tag. Das Aufeinandertreffen der besten Spieler Tikals wollte sich offenbar niemand entgehen lassen.
So viel war klar: Wenn es einen Tag gab, an dem sie unbemerkt in den Tempel gelangen konnte, dann morgen während des großen Spiels. Es musste ihr nur gelingen, sich heimlich davonzustehlen.
»Du kommst spät.« Wie aus dem Nichts tauchte mitten im Eingang die Gestalt der Obersten Priesterin vor ihr auf. »Chila und Ahau sind schon lange zurück.« Ihre Stimme wurde einen Ton schärfer. »Wo warst du?«
»Ich … ich habe Meerschweinchen gesucht und mich dabei verlaufen.« Muriel war so überrascht, Ixchel zu sehen, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. So bastelte sie sich schnell die erstbeste Entschuldigung zurecht, die ihr einfiel.
»Meerschweinchen, so, so.« Die Miene der Priesterin wirkte wie versteinert. Ihre Stimme klang immer noch streng. »Und wo sind sie?«
»Ich habe sie am Haupttempel abgegeben«, flunkerte Muriel. »So wie gestern auch.«
»Und wie kommt es dann«, die Herrin der Schule riss ihr den Sack mit einem Ruck aus der Hand, öffnete ihn und roch daran, »dass der Sack nicht nach Meerschweinchen riecht und weder Kot noch andere Exkremente aufweist?«, fragte sie mit strengem Blick.
»Nun ja …« Muriel wand sich innerlich und schaute zu Boden. Sie fühlte sich ertappt und ahnte, dass ihr auch die beste Ausrede nicht würde helfen können. »Es … es waren nicht so viele. Vielleicht fünf oder sechs. Sie … sie haben sich heute gut versteckt und ich …«
»Schweig!«, herrschte die Oberste Priesterin sie an. »Ich habe genug von deinen Lügen. Glaubst du, ich wüsste nicht, was du den ganzen Tag getan hast? Glaubst du wirklich, es bliebe unbemerkt, wenn du dich vor dem Palast Ah Coyopas herumtreibst?« Sie gab einen erbosten Laut von sich und packte Muriel unsanft am Oberarm. »Wage es nicht, mir zu widersprechen«, sagte sie drohend, während sie Muriel unsanft neben sich her ins Haus der Priesterinnen zerrte. »Du bist gesehen worden. Mehrfach.«
»Wer …?«
»Das tut nichts zur Sache«, fiel Ixchel ihr ins Wort. »Du hast deine Pflichten sträflich vernachlässigt. Das dulde ich nicht. Zur Strafe wirst du morgen nicht zum Pok-ta-Pok-Spiel gehen, sondern den Tag damit verbringen, Maiskörner auf dem metlatl zu mahlen.«
... nicht zum Pok-ta-Pok-Spiel gehen.
Muriel durchzuckte ein eisiger Schrecken. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Gerade noch hatte sie so große Hoffnungen auf den morgigen Tag gesetzt und nun wurde alles mit einem Schlag zunichtegemacht. Muriel spürte, wie ihr die Tränen kamen. Das war so gemein, so ungerecht.
Die Oberste Priesterin blieb ruckartig stehen, ließ sie los und blickte sie eindringlich an. »Ich erwarte dich morgen beim ersten Trompetenstoß am Herdfeuer«, sagte sie in einem Ton, der keine Widerrede duldete. »Lass es dir eine Lehre sein. Sollte so etwas noch einmal vorkommen, werde ich keine Nachsicht mehr walten lassen.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging davon.
Muriel nickte stumm. Sie hatte verstanden. Vorsichtig betastete sie ihren Arm. Die Stelle, an der die Finger der Herrin ihn umklammert hatten, brannte wie Feuer. Die Haut war gerötet und pochte heftig. Muriel biss die Zähne zusammen und strich mit der Hand darüber, aber der Schmerz saß tief und ließ sich nicht so leicht vertreiben.
»Mucen?« Chilas leise Stimme lenkte sie von den Schmerzen ab. Ihre Freundin hatte sich in einer Nische der Eingangshalle versteckt und alles mitbekommen. Nun kam sie näher und legte Muriel tröstend den Arm um die Schultern. »Oh, Mucen, das tut mir so leid«, sagte sie in aufrichtigem Mitgefühl. »Ahau und ich haben versucht,
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