Asche und Phönix
Zeitmanagement? Aber dann begriff sie. Epiphany war endlich angekommen – und kaum jemand beachtete sie. Die Menschen hatten ihr den Rücken zugewandt und nur Augen für die beiden Männer im Scheinwerferlicht. Epiphany Jones hingegen musste sich durch die Massen drängen wie ein gewöhnlicher Fan.
Ash fürchtete schon, ihre Begleiterin könnte jeden Moment einen hysterischen Anfall bekommen. Aber da tauchten zwei Sicherheitsleute auf, pflügten von hinten an ihnen vorbei und begannen, eine Gasse für Epiphany zu bahnen. Ash blieb so nah wie möglich bei ihr. Endlich kamen sie vorwärts.
Ash trug ein eng sitzendes weißes Top und eine Jeans aus Epiphanys Kleiderschrank, in die sie leidlich hineinpasste; ihre Beine waren nicht so lang wie die der Schauspielerin. Die Kanten und Spitzen der Symbole um ihren Hals zeichneten sich unter dem Stoff zwischen ihren Brüsten ab. Sie hatte es nicht über sich gebracht, die Anhänger ausgerechnet jetzt abzulegen.
Epiphany war auf die Schnelle in ein neues Abendkleid geschlüpft, diesmal ein schwarzes, und sie hatte das Kunststück vollbracht, drei Minuten nach ihrem Kampf mit Guignol so unverschämt gut auszusehen wie auf all den Fotos, die von ihr im Umlauf waren.
Nun nahmen auch die Zuschauer wahr, dass sich im hinteren Teil des Kinos etwas tat. Epiphanys Miene hellte sich auf, als immer mehr Blicke in ihre Richtung schwenkten. Getuschel hob an, dann erster Applaus.
Auch Lucien wurde auf sie aufmerksam. Ob er sich darüber freute, dass er Unterstützung bekam, oder sich nur einen Spaß daraus machte, Epiphany zu ärgern – jedenfalls brach er mitten im Satz ab und deutete den Seitengang hinauf.
»Und da ist sie schon, unsere bezaubernde Miss Epiphany Jones!«
Es war, als wäre rund um sie ein Vakuum entstanden, das auf der Stelle sämtliche Blicke ansaugte. Ein Raunen rollte über die Ränge hinweg, dann brandete Jubel auf. Ash hörte auch ein paar Pfiffe und Buhrufe – in den Augen mancher Mädchen mochte Epiphany eine Konkurrentin um Parkers Aufmerksamkeit sein –, doch der stürmische Beifall überwog bei weitem. Epiphany setzte ein bezauberndes Lächeln auf und winkte den Menschen zu, während sie zwischen den Bodyguards weiter Richtung Bühne eilte. Autogrammsammler bestürmten sie und einige Zuschauer am Gang sprangen auf, um die Hände nach ihr auszustrecken. Die Sicherheitsleute wehrten die meisten ab, aber manchen gelang es dennoch, Epiphanys Elfenhaar oder ihre nackten Arme zu berühren.
Während alle das blonde Mädchen begafften, schaute Ash hinauf zur Bühne. Parker sah genau in ihre Richtung. Als sich ihre Blicke trafen, hellte sich seine sorgenvolle Miene für einen Moment auf.
Er hob die Hand, gestikulierte – und erstarrte.
Ash versuchte, seinem Blick zu folgen, konnte aber nichts sehen. Da waren zu viele Köpfe im Weg, zu viele ausgestreckte Arme. Etwas, jemand, musste sich genau vor ihnen befinden, ein Stück den Gang hinunter.
Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre es unmöglich gewesen, jetzt noch anzuhalten. Die Menge rückte von hinten nach. Eine Woge aus Menschen schob Epiphany und sie unaufhaltsam vorwärts.
63.
Parker sah Libatique inmitten des Aufruhrs stehen, dort, wo der Seitengang in den unbestuhlten Streifen vor der Bühne mündete. Gerade eben noch hatten sich die Fotografen ungehindert bewegen können; jetzt drängten sich dort Dutzende Zuschauerinnen, die von ihren Plätzen im Auditorium aufgesprungen waren und auf Epiphany zustürmten.
Libatique ragte aus einem Pulk junger Mädchen hervor, keines älter als fünfzehn, die völlig außer sich waren, weil einer der Stars genau auf sie zukam. Sie würden nur die Hände ausstrecken müssen, um Epiphany zu berühren, und während die eine Hälfte ungehemmt kreischte, wedelte die andere mit Glamour -Exemplaren und Eintrittskarten in der Hoffnung auf ein Autogramm.
In seinem schwarzen Anzug wirkte Libatique wie der Geist eines Bestatters. Die Flut aus Körpern schien ihm nichts anhaben zu können, er stand vollkommen still, während die Mädchen um ihn vor und zurück wogten, den Gewalten des Andrangs von allen Seiten ausgesetzt.
Noch fünf oder sechs Meter, dann würde erst Epiphany und gleich danach Ash auf einer Höhe mit ihm sein. Sie mussten unausweichlich an Libatique vorbei. Parker war ganz sicher, dass Ash ihn noch nicht gesehen hatte. All die Menschen um sie herum blockierten ihre Sicht.
Libatique blickte zur Bühne herüber und lächelte. Er sah zufrieden aus.
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