Asche und Phönix
bereitstand, ihre Stylistin einen schlechten Tag hatte oder ein Beleuchter bei laufender Kamera in ihr Blickfeld geriet. Und dann gab es noch diesen . Parker hatte ihn nur ein einziges Mal gehört, als ihre Schwester nach einem Autounfall ins Koma gefallen und drei Tage später gestorben war.
»Piph, ich bin’s. Was ist los?«
»Was zum Teufel hast du mir da auf den Hals gehetzt?«
»Ash?«
»Nicht sie ! Dieses … Ding. Ohne Beine.«
Mittlerweile strömten die ersten Zuschauer in den Kinosaal. Innerhalb von Sekunden schwoll der Lärmpegel auf das Hundertfache an.
»Ist Ash bei dir?«
»Wir sind unterwegs zum Kino. Sie ist bei mir im Wagen und will mir nicht sagen, worum es hier eigentlich geht.«
»Dreht sofort um!«
»Wie bitte?«
»Kommt nicht her!«
»Damit du die ganze Aufmerksamkeit für dich allein hast? Vergiss es. Und falls es dich beruhigt: Ash will es sogar noch viel mehr als ich.«
Er fluchte. »Gib sie mir mal.«
Epiphany war noch nicht fertig: »Es hatte auch keine Augen, Parker! Es ist an der Scheißfassade hochgeklettert und hat das Fenster eingeschlagen. Außerdem kaufst du mir eine neue Mikrowelle! Und einen neuen Backofen!«
Kurzes Geraschel, dann Ashs Stimme. »Parker?«
»Geht’s dir gut?«
»Libatique ist schon hier in Monaco. Er dürfte gerade auf der Suche nach dir sein.«
»Was war bei euch los?«
»Guignol. Libatique muss ihn vorm Haus abgeladen haben, oder das, was von ihm übrig war, als Spürhund oder weiß der Teufel.«
Das Getöse im Kinosaal wurde ohrenbetäubend, als wieder die Sprechchöre begannen. Sie rezitierten den Zauberspruch, mit dem Phoenix Hawthorne den goldenen Schlüssel aktivierte. Lucien hatte sich Wein eingeschenkt, trank aber nicht und sah Parker mit besorgter Miene beim Telefonieren zu.
»Ash, bleibt, wo ihr seid!« Er musste fast brüllen, um sich verständlich zu machen.
Auch sie sprach jetzt lauter: »Ich versteh kein Wort!«
»Kommt nicht zum Kino!«
»Was hast du vor?«
»Libatique wird hier auftauchen!«
»Natürlich wird er das! Deshalb will ich ja bei dir sein.«
Er hätte sie umarmen und küssen mögen dafür, aber seine Angst um sie überwog in diesem Moment alles andere. »Zu gefährlich! Dreht einfach um!«
»Parker? Ich hör dich nicht mehr …«
Gehetzt sah er Lucien an. »Kann man hier irgendwo in Ruhe telefonieren?«
In diesem Moment trat die Pressebetreuerin mit dem Moderator ein, einem Mann im Smoking, der zu alt war für seine hippe Phoenix-Frisur. »Wir würden dann so schnell wie möglich loslegen. Die Agentin von Miss Jones sagt zwar –«
Lucien schnitt ihr das Wort ab. »Jetzt nicht! Wir brauchen noch ein paar Minuten.« Und damit schob er die beiden wieder hinaus.
Parker nickte ihm dankbar zu, folgte aber der Frau und dem Moderator bis zum Durchgang und blickte hinaus in den Saal. Die Tür befand sich seitlich neben der Leinwand, von hier aus konnte er nur einen Teil der Sitzreihen ausmachen. Fast alle Plätze waren besetzt, hier und da drängten noch einzelne Besucher zu den letzten freien Sesseln. Einige Mädchen in der ersten Reihe entdeckten ihn und brachen in hysterischen Jubel aus, der sofort alle anderen ansteckte.
»Parker?«, rief Ash durchs Telefon. »Der Fahrer sagt, wir sind gleich da.«
Er zog sich wieder in den Backstagebereich hinter der Leinwand zurück, wo Lucien von einem Fuß auf den anderen trat.
Die Pressefrau und der Moderator folgten Parker erneut. »Wir sollten vielleicht vorher noch kurz abklären –«
Parker brachte sie mit einer barschen Handbewegung zum Schweigen. Der Jubel draußen im Saal hatte einen Pegel erreicht, der ohnehin jede Unterhaltung sinnlos machte.
»Ash!«, rief er noch einmal ins Handy. »Ihr dürft nicht herkommen!«
Der Moderator und seine Begleiterin tauschten verwunderte Blicke. Lucien trank in einem Zug das Glas leer.
Parker begriff, dass nun ein Teil des Lärms auch aus dem Telefon kam. Ash und Epiphany mussten vor dem Kino ausgestiegen sein, wo Hunderte Fans und Schaulustige ohne Tickets ihre eigene Phoenix-Hawthorne-Party feierten.
Er musste etwas tun. Das Ganze nach Möglichkeit beschleunigen. Aber das konnte er nicht allein. Einer fehlte noch.
Er warf das Handy Lucien zu, der es geschickt mit einer Hand auffing, ignorierte den Moderator und die Frau vom Verleih und trat an den beiden vorbei auf die Bühne hinaus.
Die Zuschauer sprangen von ihren Plätzen, klatschten und schrien, und schon flogen die ersten Teddys, selbst genähte
Weitere Kostenlose Bücher