Asche und Phönix
Phoenix-Puppen und Liebesbriefe an goldenen Schlüsseln aufs Podium.
Parker eilte zielstrebig in die Mitte der Bühne und beschirmte seine Augen mit der Hand gegen das grelle Scheinwerferlicht.
Libatique war hier, Parker war ganz sicher. Irgendwo dort unten, zwischen all den Mädchen und Frauen und wenigen Männern, die den Filmpalast gestürmt hatten.
Aber so sehr er auch suchte, er sah nur eine brodelnde Masse aus Menschen. Erhobene Hände, die über den Köpfen klatschten. Aufgerissene Münder, die den verdammten Zauberspruch skandierten. Kamerateams, die in den Seitengängen das tobende Publikum filmten. Dazwischen noch mehr Zuschauer, denen es egal war, dass sie sich den Film zweieinhalb Stunden lang im Stehen ansehen mussten. Direkt vor der Bühne blitzten die Kameras der Fotografen, zehn oder zwanzig, und alle brüllten durcheinander, damit er in ihre Richtung schaute.
Parker grüßte nicht und lächelte nicht. Er stand nur da und blickte über dieses Meer aus Gesichtern auf der Suche nach dem einen, das irgendwo dort unten sein musste.
Dann entdeckte er es.
Nicht zwischen den Sitzreihen, auch nicht auf den Gängen. Libatiques Züge schienen zwischen den Blitzen zu schweben, waren da und wieder fort, ein fahles Flackern inmitten eines Infernos aus Licht. Nur Einbildung?
Lucien betrat die Bühne, gefolgt vom Moderator, der gute Miene zum bösen Spiel machte, während die beiden Stars sein Konzept über den Haufen warfen. Luciens Erscheinen ließ den Jubel abermals aufbrausen, die Fans des Engels Thanael kreischten sich die Stimmbänder wund. Er hob die Hände und winkte den Leuten zu, um von Parkers eigenwilligem Auftritt abzulenken.
Der Moderator spulte seine Begrüßung ab, während das Publikum frenetisch klatschte und gar nicht mehr zu schreien aufhörte. Erst als Lucien eine Hand hob und seinerseits begann, zu den Zuschauern zu sprechen, legte sich der Lärm allmählich, weil niemand verpassen wollte, was er der Welt zu verkünden hatte.
Parker hörte die beiden reden, aber er war ganz auf seine Suche nach Libatique konzentriert. Die Fotografen hatten natürlich längst bemerkt, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Sie schossen ein Bild nach dem anderen, vielleicht in der Hoffnung, dass er durchdrehte oder zusammenbrach. Er sah sie miteinander tuscheln: Was war nur los mit diesem Parker Cale? Der Bruch mit seinem Vater. Dann das Feuer in der Villa. Um ihn herum geschahen seltsame Dinge.
Wenn ihr wüsstet.
Lucien bestritt das Gespräch mit dem Moderator allein und tat sein Bestes, um die Menschen von Parkers ernster Miene abzulenken. Er machte Witze – vor allem auf Kosten der verspäteten Epiphany –, wechselte ohne Übergang zu Anekdoten von den Dreharbeiten und flirtete mit ein paar jungen Frauen in der ersten Reihe, was Parker weiteren Aufschub verschaffte.
»Mister Cale?«, flüsterte der Moderator, während Lucien seine One-Man-Show abzog. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Parker gab keine Antwort. Er war sicher, dass er Libatique dort unten gesehen hatte, aber jetzt fand er ihn nicht mehr. Bei den Fotografen war er nicht, auch nicht in den vorderen Reihen. Die Gänge zwischen den Sitzblöcken waren voller Menschen, dort wurde noch immer gedrängt und geschoben, aber Parker konnte sich nicht vorstellen, dass Libatique den Rückzug nach hinten angetreten hatte.
»Mister Cale?«, versuchte es der Moderator noch einmal.
Die Saaltür am Ende des linken Seitengangs wurde geöffnet. Die Scheinwerfer blendeten Parker, aber noch waren im Zuschauerraum die Lichter nicht gedimmt worden. Im Türspalt erkannte er langes hellblondes Haar, dann einen dunklen Bob. Die Gesichter der beiden waren über die Distanz kaum auszumachen. Es hätten Zuschauerinnen wie alle anderen sein können, aber Parker wusste es besser.
»Mister Cale!«
62.
»Dieser Bastard!« Epiphany drängte sich in den Saal, gerade als Lucien einen Seitenhieb gegen sie vom Stapel ließ. Wahrscheinlich nicht den ersten.
»Hast du echt keine anderen Sorgen?« Ash blickte durch den Zuschauersaal zu Parker. Er sah schlecht aus, müde und ziemlich abgerissen. Und als wäre das nicht genug, trug er ein furchtbares T-Shirt mit silbernem Grace-Kelly-Aufdruck.
»Andere Sorgen?«, fragte Epiphany. »Ja, die hatte ich vorhin, als wir dieses Ding ohne Kopf im Backofen eingesperrt haben. Jetzt ist das hier mein Problem!«
Im ersten Moment verstand Ash nicht, was sie meinte. Den verstopften Weg zur Bühne? Luciens Witzeleien über ihr
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