Asche und Schwert
näher kam, erkannte er, dass es sich nur um Sklaven handelte, denen man wahrscheinlich befohlen hatte, auf ihrem Posten zu bleiben, und die deswegen den Unheil verkündenden Zeichen, die sich ihnen näherten, nicht entfliehen konnten.
Lucretia schritt neben einer Frau von klassischer Schönheit dahin, deren Roben eng an ihren breiten, sich wiegenden Hüften und ihrer beeindruckenden Brust anlagen und deren Gesicht unter einem schwarzen Seidenschleier verborgen war.
»Lucretia, aus dem Hause Batiatus«, stellte sie sich mit einem traurigen, der Situation angemessenen Lächeln vor. »Vereint mit Euch in Trauer und Leid.«
Die Frau wandte sich ihr zu. Der Wind zerrte an ihrem Schleier und enthüllte eine rote Masse von nach auÃen gewölbtem Fleisch und Narbengewebe. Es sah aus, als habe sie nur ein halbes Gesicht.
»Successa«, erwiderte die Frau mit schwacher Stimme. Ich heiÃe Successa. Aus keinem Hause.«
»Kanntet Ihr Pelorus gut?«, fragte Lucretia, doch sogleich bereute sie ihren Versuch, engeren Kontakt zu knüpfen.
»Ich war in Pelorusâ Haus in jener Nacht, als er den Tod fand«, sagte Successa. »Man hat mir eine wohlgefüllte Börse angeboten, um dafür zu sorgen, dass seine Gäste angemessen unterhalten werden. Ich habe auf ein gutes Geschäft vertraut.«
Es hörte sich an wie ein Scherz, doch Lucretia wusste, dass sie nicht lachen durfte. Aus der kleinen Pause, die nach der Bemerkung der Frau entstand, wurde ein längeres Schweigen, und Lucretia war zutiefst erleichtert, als sie sah, wie Ilithyia auf sie zukam.
»Ilithyia«, sagte sie. »Die Gemahlin von Gaius Claudius Glaber. Vereint mit Euch in Trauer und Leid.«
Successa drehte sich zu Ilithyia um, wodurch ihr der Schleier ganz aus dem Gesicht geweht wurde.
»Oh gütigste Götter!«, rief Ilithyia.
»Die Dame Successa war in der Nacht jener schrecklichen Ereignisse anwesend«, sagte Lucretia hastig.
»Oh, ich verstehe«, erwiderte Ilithyia eisig. »Mein ⦠Beileid.«
Sie wandte sich nach vorne um, als sei Successa plötzlich verschwunden.
Um nicht noch einmal beleidigt zu werden, schritt Successa unmerklich langsamer aus, sodass die beiden anderen Frauen vor ihr gehen konnten.
»Wir wurden unter Versprechungen hierhergelockt, die ich nur als falsch bezeichnen kann«, murmelte Ilithyia.
»Was meinst du damit?«, fragte Lucretia.
»Angeblich sollten hier viele GroÃe und Wohlhabende anwesend sein.«
»Nun ja, du bist hier, Ilithyia.«
»In der Tat, das bin ich. Als Begleiterin entstellter Huren und maskierter Sklaven.«
»Einer der Männer, die die Bahre tragen, ist der neue Statthalter von Sizilien.«
»Ich hätte niemals hierherkommen sollen.«
»Dabei hast gerade du darauf bestanden, diese Einladung wahrzunehmen.«
Ilithyia zog einen Schmollmund und marschierte mit schweren Schritten weiter.
Der Trauerzug schob sich die StraÃe entlang, während die schwermütige Musik die Vögel zum Schweigen brachte und das Jammern der Klageweiber alle in Anspannung versetzte. Batiatus spürte, wie der Boden nach und nach eben wurde.
»Haben wir den Gipfel schon erreicht?«, fragte er sich laut.
»Den Gipfel dieses Berges? Nicht im Geringsten«, antwortete Verres. »Wir bewegen uns ausschlieÃlich in den Hügeln darunter. Die rauchende Spitze ragt weit über uns in die Höhe â bis in den Nebel und noch darüber hinaus.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Pelorus sich ein Begräbnis in einer so gewaltigen Höhe gewünscht hat.«
»Wir haben unser Ziel fast erreicht«, sagte Verres in ruhigem Ton von der anderen Seite der Bahre her. »Der Friedhof befindet sich nicht auf dem Gipfel.«
Ãberrascht erkannte Batiatus, dass der Trauerzug trotz der leeren StraÃen immer gröÃer wurde. Kleine Jungen schwenkten grüne Zweige wie Stöcke durch die Luft; begleitet wurden sie von schmutzigen Männern mit ungekämmtem Haar, alten Frauen mit hungrigen Augen und knochigen, von Pockennarben gezeichneten Mädchen, die trotz ihrer Jugend schon bessere Tage gesehen hatten.
»Noch mehr bezahlte Trauergäste?«, flüsterte Batiatus.
Verres schüttelte den Kopf. »Bettler und Andenkenjäger. Beachtet sie nicht.«
»Woher sind sie gekommen?«
»Zerbrecht Euch darüber nicht den Kopf. Sie sind nichts.«
»Sie
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