Asche und Schwert
dasselbe diskrete Signal gab.
»Der Name von Marcus Pelorus wurde auf dem Totenbett feierlich verkündet«, rief Verres über das Murmeln der Menge hinweg. »Sein Haus wurde von allen Geistern gereinigt, die böse Absichten hegen. Jetzt ist es an uns, seinen Freunden und Geschäftspartnern, eine letzte Aufgabe zu erfüllen. Wir werden ihm das Geleit geben auf seiner Reise in die andere Welt, um danach sein Andenken zu feiern.«
Während Verres sprach, stieg Timarchides vorsichtig eine Leiter hinauf, die an die Bahre gelehnt worden war. Er hielt eine brennende Fackel in der Hand. Die Zypressenzweige in der Nähe neigten sich leicht unter dem gegen sie lehnenden Gewicht, bis er die Spitze erreichte. Dort streckte er die Hand aus und öffnete behutsam die beiden Augen des Toten.
»Die Augen sind geöffnet«, verkündete Verres feierlich. »Und unser Freund bereitet sich auf sein Leben in der anderen Welt vor.«
Während die Priester ihre Glocken erklingen lieÃen und düstere Gesänge über das jenseitige Leben intonierten, nickte Verres dem Freigelassenen zu, und Timarchides hielt die Fackel an das Holz.
Für einen kurzen Augenblick voller Anspannung entwich den nassen Zweigen nur eine dünne Rauchfahne. Doch dann fing irgendetwas inmitten des Holzstapels Feuer, und tief in seinem Inneren flackerten rote und gelbe Flammen auf. Gleich darauf erklang das Zischen und Knallen von Ãlen, die aus ihren Krügen spritzten, und das Knacken von berstendem Glas.
Timarchides stieg so gemessen er konnte die Leiter hinab, doch es gelang ihm nicht ganz, angesichts der wachsenden Hitze ein leichtes Zusammenzucken zu unterdrücken. Als er wieder sicheren Boden unter den FüÃen hatte, nahm er von einem der wartenden Gladiatoren seinen Helm entgegen, setzte ihn auf und zog den Kinnriemen fest.
»Es ist nur angemessen, dass Timarchides, der Mann, den Pelorus zu Lebzeiten so sehr geschätzt hatte, jetzt an seiner Seite zugegen ist, wenn Pelorus die letzte Ruhe findet«, sagte Verres.
Das Spiel der Glocken verklang in der Ferne, als sich die Priester zur traditionellen Umrundung des Friedhofs aufmachten. Niemand beachtete sie.
»Timarchides wird ein letztes Mal die Rüstung eines Gladiators tragen«, fuhr Verres fort, »um seinen früheren Herrn und lebenslangen liebsten Freund zu ehren.«
Batiatus wechselte einen verwirrten Blick mit Lucretia, die inzwischen neben ihm stand.
»Waren sie Liebhaber? «, flüsterte er.
»Das wissen nur sie allein«, antwortete Lucretia schulterzuckend.
»Zu unserer Zeit hatte er mir gegenüber nichts dergleichen erwähnt«, zischte ihr Batiatus ins Ohr.
»Seither sind viele Tage vergangen. Und die hat er hier in Neapel verbracht.«
Verres, der auf einer Art Podium stand, fuhr fort, den guten, guten Pelorus zu rühmen, den hervorragenden Besitzer einer Gladiatorenschule, den Förderer der örtlichen Geschäftsleute und Politiker. Er dankte ihm für seine GroÃzügigkeit zu Lebzeiten und beklagte seinen so frühen Tod.
Batiatusâ Miene blieb wohlwollend, doch innerlich tobte er, als er Verres so über einen Menschen sprechen hörte, der ihm wie ein Fremder vorkam. Kein Wort fiel über Pelorus, den jungen, ungestümen Mann; Pelorus, der sich voller Eifer dem Studium des Schwertkampfs gewidmet hatte; Pelorus, der sich gerühmt hatte, er würde einst selbst Krieger ausbilden; Pelorus, den geliebten Freund des Hauses Batiatus, dessen gröÃte Tat darin bestanden hatte, das Leben von Titus Lentulus Batiatus, des pater familias, zu retten. Pelorus, der für diese Tat den kostbarsten aller Schätze erhalten hatte â die Freiheit. Nichts davon wurde erwähnt.
Mürrisch nagte Batiatus an der Innenseite seiner Wangen und fragte sich, ob es überhaupt irgendjemanden in Neapel gab, der wusste, dass Pelorus einst ein Sklave gewesen war. Er drehte sich zu seiner Frau um, weil er diese Eloge, die ihn so unglücklich machte, erneut kritisieren wollte, doch Verresâ folgende Worte lieÃen ihn abrupt innehalten.
»Und deshalb«, sagte Verres gerade, »wird es Zeit für uns, ein letztes Mal von unserem guten Freund Pelorus Abschied zu nehmen. Einem Mann, der von dieser Welt ging, ohne eine Familie oder einen Erben zu hinterlassen, und der mir mit seinem letzten Atemzug die ehrenvolle Aufgabe anvertraut hat, als familiae emptor zu fungieren und
Weitere Kostenlose Bücher