Asche zu Asche
wäre jetzt verdammt nützlich. Aber es war ja nicht das erste Mal, dass die Bewegung eine wichtige Sache verpatzt hatte. „Komm, wir schauen uns mal die Karte von Massachusetts an. Vielleicht können wir herausfinden, warum sich das Orakel ausgerechnet Boston ausgesucht hat.“
„Stimmt. Es ist schlau, mit Boston zu beginnen.“ Er atmete geräuschvoll aus. „Aber du solltest Cyrus anrufen. Finde heraus, ob er etwas weiß.“
„Er weiß bestimmt nichts, aber Dahlia wird etwas wissen. Sie arbeitet immer noch für den Souleater.“ Ich biss mir auf die Zunge, denn irgendwie fühlte ich mich wie ein Verräter, während ich die folgenden Worte aussprach. „Ich mache mir Sorgen, dass er vielleicht …“
„Dass er ein Doppelagent sein könnte?“ Nathan imitierte in einem falschen britischen Sean-Connery-Akzent James Bond, aber es gelang ihm nicht, auch wenn er Schotte sein mochte. „Ich bin sicher, dass es dich nicht überrascht, aber ich habe auch schon darüber nachgedacht. Leider ist er die einzige Informationsquelle, die wir haben.“
Ich stützte mein Kinn auf die Handfläche. „Ist dein Leben jemals, hm, langweilig gewesen?“
„Willst du wissen, ob ich immer auf der Seite der Guten gestanden habe und mein Leben für den Kampf gegen das Böse schlechthin, also gegen die Spezies der Vampire eingesetzt habe?“ Er grinste mich an. „Nein, ich glaube, das geschah erst, als diese Rechthaberin vor vier Monaten meinen Laden betrat.“
„Und sich fast von deinem gewalttätigen Sohn enthaupten ließ.“ Obwohl ich es in einem scherzhaften Ton gesagt hatte, wünschte ich, ich könnte meine Worte zurücknehmen. Das lag nicht daran, dass ich zweifelte, Nathan würde einen Scherz auf Kosten von Ziggy nicht verstehen, sondern, dass sein Tod noch nicht allzu lange her war und wir kaum über Ziggy sprachen. Die Wunden waren noch zu frisch.
Gedankenverloren lachte Nathan leise. Ich griff über den Tisch und nahm seine Hand, aber er stand auf, um nach dem Kaffee zu sehen, der wunderbar reibungslos durch die Maschine lief.
„Entschuldigung“, brachte ich geknickt hervor.
Aber er schüttelte den Kopf. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du versuchst, mich daran zu gewöhnen, dass wir über ihn sprechen. Es ist nur zu meinem Besten. Manchmal vergesse ich einfach, dass es ihn nicht mehr gibt, und wenn wir über ihn reden, besonders hier …“
„Das holt ihn dir ins Gedächtnis zurück.“ Ich wusste genau, wie er sich fühlte. Als ich den Anruf bekam, dass meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, hätte ich über das Gelände meines Colleges rennen und rufen können: „Meine Eltern sind tot, meine Eltern sind tot.“ Aber sobald ich zu ihrer Beerdigung zurück in meinen Heimatort fuhr, konnte ich nicht mehr darüber sprechen. Ich war verschlossen wie eine Muschel. Für immer.
Ich wollte nicht, dass es Nathan auch so erging. „Du kannst dich nicht an den Dingen festhalten. Du hast es schoneinmal versucht. Sieh nur, wie weit es dich gebracht hat.“
„Ich weiß.“ Er starrte den Kaffee an, der durch den Filter in die Glaskanne tröpfelte. Ohne etwas zu sagen, warteten wir darauf, dass der Kaffee fertig war. Dann goss er zwei Becher ein und gab noch einen ordentlichen Schuss Likör hinzu. „Blut?“
„Ja, gern.“ Ich sah ihm dabei zu, wie er in beide Becher noch einen Schuss Blut füllte, und wartete darauf, dass er mir den Becher zum Tisch brachte. „Schmutzig rosafarben, so wie ich es gerne mag.“
Er grinste. „Weißt du überhaupt, wie oft Ziggy aus Versehen Menschenblut getrunken hat?“
Ich lächelte tapfer, damit Nathan weitererzählte. Aber es war eine ekelhafte Vorstellung.
„Manchmal habe ich ihn auch reingelegt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr Zuckersirup und Lebensmittelfarbe wie Blut aussehen, wenn man beides mischt.“ Nathan starrte die Wand an. „Carrie, verrate ich ihn gerade?“
Auf diese Frage war ich nicht gefasst. „Wie meinst du das?“
Nathan schaute in seine Tasse. „Sollte ich ihn nicht töten? Weil er Ziggy das angetan hat? Auf der einen Seite schäme ich mich dafür, dass ich ihn nicht rächen will. Aber ist es auf längere Sicht nicht besser, dass ich mich dafür nicht weiter verantwortlich fühle?“
„Du verrätst ihn nicht.“ Ich nahm seine Hand. „Es ist noch nicht so lange her, und ich bin ehrlich gesagt beeindruckt davon, dass du dir nicht noch mehr Vorwürfe machst. So ist es viel gesünder … Außerdem …“
Wie
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