Asche zu Asche
einen Weg für uns gab, zusammen einzuschlafen, und das war nackt und verschwitzt. Nebeneinander einzuschlafen und dabei Schlafsachen zu tragen schien auf einmal intimer, als ein unbekleidetes Bündel aus verkeiltem Fleisch zu sein.
Nathan musste über die Blutsbande meine Gedanken gelesen haben, denn er lachte leise in sich hinein. „Gewöhn dich da lieber nicht daran. Da ich dich jetzt haben kann, ohne ständig ein schlechtes Gewissen zu haben, dich zu benutzen, glaube nicht, dass du dieses Bett in den nächsten Tagen verlassen wirst.“
Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, was er mir mit müder Stimme und starkem Akzent gerade gesagt hatte. „Du hattest ein schlechtes Gewissen, weil du dachtest, du benutzt mich?“ Ich wusste, dass er sich schuldig gefühlt hatte.
„Ach, ja. Ich bin katholisch. Wir Katholiken fühlen uns doch immer für etwas schuldig.“
Er griff nach oben und schaltete die Nachttischlampe aus,murmelte noch etwas, legte sich wieder hin und war sofort eingeschlafen.
Obwohl Nathan problemlos den ganzen Tag schlief, hatte ich einen leichten Schlaf, denn unbewusst wartete ich die ganze Zeit darauf, dass Cyrus anrief. Bei jedem kleinsten Geräusch in der Wohnung wachte ich auf. Einmal war ich sogar aufgesprungen und in die Küche getorkelt, obwohl das Telefon, das ich hörte, nur im Traum geläutet hatte.
Schließlich zog ich Nathans Bademantel über und stapfte ins Wohnzimmer, da ich fürchtete, mein unruhiger Schlaf würde Nathan wecken.
Draußen war es bedeckt, daher wagte ich es, einen Blick durch die Jalousien zu werfen. Die plötzliche Helligkeit des Nachmittagslichts verbrannte mir fast die Netzhaut, und ich vergoss einige blutige Tränen. Aus dem Wohnzimmerfenster konnte ich das Dach des Hauses sehen, in dem Cyrus lebte. Ich musste zwar den Hals recken, um es zu sehen, aber Details konnte ich dennoch nicht erkennen. Es war sinnlos, zu riskieren, blind zu werden, wenn ich sowieso nichts Neues erfahren würde.
Ich schaute auf die Uhr auf dem Esstisch. Vier Uhr dreißig. Warum hatte er mich nicht zurückgerufen?
Ich entschied mich, ihn jede halbe Stunde anzurufen, bis er endlich ans Telefon gehen würde. Wenn ich bis Sonnenuntergang nichts von ihm gehört hätte, würde ich Nachforschungen anstellen. Immer war besetzt, wenn ich es wieder versuchte.
Als Nathan gegen sechs Uhr aufwachte, war ich schon angezogen, lief auf und ab und wartete darauf, dass es absolut sicher für mich war, hinauszugehen.
„Du hast Angst, dass Dahlia ihn gebissen und verwandelt hat“, stellte Nathan fest, während er seinen Frühstücksbecherin den Händen hielt.
Ich wusste, dass er meine Sorge über die Blutsbande gespürt hatte. „Er hat gesagt, er will nie wieder ein Vampir sein – aus gutem Grund. Aber da stimmt etwas nicht, und ich kann nicht anders, als voreilige Schlüsse zu ziehen.“
„Vielleicht ist auch alles in Ordnung.“ Nathan stellte seinen Becher Blut auf den Tisch und stellte sich hinter mich, als ich wieder Cyrus’ Nummer wählte. Seine großen starken Hände massierten meine Schultern, während ich schon wieder nur das Besetztzeichen vernahm.
„Vielleicht hat er eine menschliche Freundin oder einen Freund, bei dem er übernachtet. Vielleicht ist er kurz rausgegangen und kauft ein oder er tut das, was Millionen menschlicher Wesen jeden Tag tun. Erinnerst du dich an die Menschen?“ Nathan setzte statt eines Fragezeichens einen Kuss auf meinen Nacken. Dann fügte er fröhlich hinzu: „Vielleicht ist er festgenommen worden.“
Ich wusste, dass Nathan mir nur helfen wollte, aber ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass da irgendetwas überhaupt nicht stimmte. Ich schüttelte seine Hände ab und hielt meine Hand hinter die Jalousie, um zu testen, wie stark die Sonne noch war. Der Sonnenbrandfaktor sinkt.
„Er braucht Hilfe. Als er in der Wüste war, konnte ich ihn manchmal spüren. Ich weiß nicht, wie es funktioniert oder warum, aber ich habe nun mal dieses Gefühl … Es geht nicht mehr um die Blutsbande, es ist Intuition. Ich bin immer noch mit ihm verbunden, und ich weiß, dass da etwas nicht in Ordnung ist.“
„Willst du, dass ich mitkomme?“ Nathans Unterton war nicht mehr scherzhaft.
Ich schüttelte den Kopf. „Du solltest lieber hierbleiben, für den Fall, dass er anruft. Und wenn etwas passieren sollte, für den Fall, dass er verwandelt worden ist … Ich glaubenicht, dass er mir etwas antut, aber dich würde er sicherlich angreifen.“
Noch zwei Mal
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