Asche zu Asche
„Nein.“
Ich zog die Rasierklinge über mein Handgelenk und spürte einen Schmerz, der mich überraschte. In den Filmen sah es nie so aus, als würde es wehtun. Das Blut trat nicht hübsch hervor, sondern aus meinen offenen Venen spritzte heißes rotes Blut.
Cyrus brachte genügend Kraft auf, um sich auf die Ellenborgen zu stützen und nach hinten zu rutschen. Weil er die Lippen zusammenkniff, musste ich mit meiner rechten Hand seinen Mund gewaltsam öffnen.
„Nein“, flehte er und versuchte, die Blutstropfen wieder auszuspucken, die bereits seine Lippen benässt hatten. „So nicht …“
Ich konnte es nicht mit anhören. Ich wollte nicht hören, dass er mir sagte, dass er lieber sterben wolle, als sich von mir retten zu lassen. Ich packte ihn an der Schulter und rang ihn zu Boden, um ihm mein offenes Handgelenk an den Mund zu pressen und seinen Protest zu ersticken.
Cyrus hatte mich einmal davor gewarnt, seinen Willen infrage zu stellen. Er hatte vielleicht einen starken Willen, aber meiner war stärker.
Er hörte auf, sich zu wehren, presste die Lippen nicht mehr aufeinander, aber er sog auch nicht mein Blut begierig auf. Das Wichtigste war, dass er ein wenig Blut aufnahm, alles andere war gleichgültig.
Aber scheinbar funktionierte es nicht richtig. Ich hatte noch nie jemanden verwandelt, daher wusste ich nicht, wie es sich anfühlte. Zwischen uns entstanden keine Blutsbande, ebenso wenig konnte ich eine Verbindung feststellen. Ich merkte nur, dass mir durch den Blutverlust ein wenig schwindelig war und dass Cyrus immer schneller aus dem Lebenschied. Seine Brust hob sich nicht länger mit der Atmung. Sein Gesicht wurde blau.
Wo hatte ich einen Fehler gemacht? Durch mein Blut hätte er zum Vampir werden müssen, so, wie sich sein Blut mit meinem vermischt hatte, als wir zusammen in der Leichenhalle gewesen waren.
Vermischen! Carrie, wie konntest du nur so blöd sein!
Ich musste sein Blut trinken – wenn er überhaupt noch etwas im Körper hatte – um den Vorgang zu vervollständigen. Ich hoffte nur, dass es auch in der anderen Reihenfolge funktionierte. Indem ich meine Lippen in eine der offenen Wunden auf seiner Brust presste, fuhr ich vorsichtig mit meiner Zunge über den Muskel dort. Als er mich verwandelt hatte, hatten wir aus Versehen unser Blut vermischt, aber damals war es so wenig gewesen, dass ich es noch nicht einmal bemerkt hatte. Einige wenige Tropfen mussten jetzt ausreichen. Ich saugte an der Wunde, und ein heißes Rinnsal floss über meine Lippen.
Die Verwandlung geschah sofort. Sie war unangenehm und gewalttätig. Cyrus’ Körper schlug mehrere Mal auf dem Boden auf. Ich hatte Schmerzen in der Brust, die mir das Herz zu zerreißen schienen. Mein Kopf schmerzte. Ich schrie. Vor meinen geschlossenen Augen sah ich weiße Blitze und strahlendes Licht. Dann brach ich auf seinem toten, aber trotzdem sehr lebendigen Körper zusammen.
Ich spürte, dass sich in meinem Kopf ein bekannter, aber dennoch andersartiger Kanal öffnete. Es war Cyrus, und er war voller Hass, während er zwischen den Welten der Toten und der Lebendigen hin- und herglitt.
Er war mein Zögling.
Ich war seine Schöpferin.
11. KAPITEL
Die Narren kommen
So sehr Max es auch verabscheute, im Prancing Pony Motor Inn gefangen zu sein, war er doch froh, dass das Orakel Bella nichts weiter angetan hatte.
Ganz im Gegenteil, Bella schien ihren unfreiwilligen Aufenthalt zu genießen. Während des Tages schlief sie neben ihm, es sei denn, sie schlich sich hinaus, um an der Tankstelle gegenüber ein paar Lebensmittel zu besorgen. Nachts schien es ihr sogar Spaß zu machen, für ihn zu sorgen, sich um sein verletztes Knie zu kümmern, ihm die Kissen aufzuschütteln und ihm Blutkonserven im heißen Wasser der Badewanne zu erwärmen.
„Ich glaube, die Diät aus Keksen und Chips bekommt dir ganz gut“, sagte er lachend, als sie ihm in der dritten Nacht das Frühstück brachte.
Sie lächelte und half Max, sich aufzusetzen, während sie die Kissen in seinem Rücken aufschüttelte. „Vielleicht. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein netter Mensch und du hast es bisher nicht bemerkt.“
Er schüttelte den Kopf. „Du bist kein netter Mensch.“
Vorsichtig klopfte sie ihm auf das verletzte Knie, und er schrie auf.
„Gar nicht nett“, murmelte er, nahm ihr den Plastikbeutel mit Blut aus der Hand und biss eine Ecke ab.
Max nahm einige große Schlucke und senkte vorsichtig den Beutel, während er die kleine Öffnung
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