Asche zu Asche
wirklich der Grund, weshalb ich ihn gezwungen hatte, mein Blut zu trinken?
„Er ist in einem Bordell in Nevada. Jetzt gib mir mein sterbliches Ich zurück“, zischte er mit entblößten Reißzähnen.
Bis auf diese Sekunde hatte ich nie wirklich Angst vor Cyrus gehabt. Als er mein Schöpfer gewesen war, hatte ich mich vor meinen Reaktionen auf das gefürchtet, wozu er mich anstiftete. Aber ich hatte nie Angst davor gehabt, dass er mir körperlich wehtun könnte. Aber jetzt war alles anders. Dieser Cyrus würde mich nicht dazu verführen, mich selbst zu zerstören. Er würde mich selbst töten.
„Du weißt, dass ich das nicht tun kann“, flüsterte ich. Meine Zunge fühlte sich schwer wie Blei an. Ich ging auf das Bett zu, weil mir ein seltsamer Instinkt befahl, ihm nahe zu sein.
„Geh weg.“
Als Nathan mich noch einmal mit ruhigen Worten warnte, drehte ich mich um. Das genügte. Cyrus machte sich von seinen Fesseln los. Ein Arm, der durch seine Wut und seine wiederkehrende Vampirkraft stark wie Eisen war, legte sich um meinen Hals. Die andere Hand tastete nach meiner Stirn. Er wollte mir das Genick brechen.
Aber so weit ließ es Nathan nicht kommen. Er warf einen Holzpflock, aber der flog an Cyrus vorbei und blieb in der Wand stecken. Nathan holte noch einen Pflock aus seiner Tasche und warf ihn. Dieser blieb in Cyrus’ Arm stecken. Mit einem ekelerregenden Knacken spreizten sich Elle und Speiche, und Cyrus ließ mich mit einem Schrei los.
Ich fiel auf den Boden. Mir war schwindelig, so geschockt war ich von Cyrus’ Hass gegen mich. Nathan warf ihn aufs Bett und kniete sich auf seine Brust.
„Ganz, wie in den alten Zeiten, was Nolen?“, rief Cyrus lachend. „Ich erinnere mich, dass du es magst, hart angefasst zu werden.“
Ich kniff die Augen zusammen. Es gab einen lautenWumms, als werfe jemand ein halbes Rind auf einen nassen Gehweg. Cyrus war still.
Nathan stand über mir und rieb sich die wunde Faust. „Warum hast du das getan?“
„Ich konnte nicht zulassen, dass er stirbt.“ Die Worte kamen über meine Lippen, ohne dass ich spürte, dass ich sprach. Es tat weh, aber der Schmerz schien von weither zu kommen. „Und ich …“
Nathan überlegte einen Moment lang. Als er wieder sprach, wünschte ich, ich hätte ihn nicht gehört. „Raus.“
„Was?“ Durch den Schock und meine Trauer konnte ich mich fast nicht mehr bewegen. Aber was hatte ich erwartet? Dass Nathan Cyrus in seinem Haus mit offenen Armen empfangen würde? „Ich kann nirgendwohin. Das weißt du doch.“
„Ja, aber das hast du auch gewusst, bevor du ihn verwandelt hast. Das heißt, du hast bewusst gehandelt.“ Nathan drehte sich um, und sofort spürte ich, wie er die Blutsbande zwischen uns abblockte.
Ich versuchte es mit einer neuen Taktik. „Wenn wir fortgehen, was meinst du, wohin geht er? Er wird seinen Vater suchen. Und mich wahrscheinlich mitnehmen.“
Nathan schien sich diese Idee einen Moment lang zu überlegen. Auch wenn er sich anstrengte, seine Gefühle vor mir zu verbergen, so fühlte ich doch, wie sehr er das Bedürfnis hatte, mich vor seinem Schöpfer zu beschützen. Ich war doch sein Zögling, nicht seine Freundin. Einige Augenblicke später seufzte er schwer und bedeutete mir, dass ich den Pflock aus Cyrus’ Arm ziehen sollte. „Hol mir den Verbandskasten. Er steht im Wohnzimmer.“
Das war sicherlich nicht das, was ich von ihm erwartet hatte. Ich stürzte hinaus und holte den schweren roten Werkzeugkoffer, in dem sich unsere Verbandssachen befanden.
Als ich ihn vor Nathan hinstellte, dankte er mir noch nicht einmal. Er beobachtete Cyrus, der sich vor Schmerzen auf dem Bett wand, noch bevor er ansatzweise wieder zu Bewusstsein kam. „Dir geht es gleich besser. Noch einen Moment, wir kümmern uns um deine Schmerzen.“
Nathan warf mir einen besorgten Blick zu und zog ein Mittel zur lokalen Betäubung in einer Spritze auf. „Das muss genäht werden. Schaffst du das?“
Ich wollte sagen: Kannst du es lassen, meinen Zögling noch mehr zu quälen? Stattdessen verschränkte ich die Arme und hielt die Luft an, um meinen Ärger zu zügeln. „Hast du eine Nadelführung?“
Nathan unterdrückte einen Kommentar, als er im Werkzeugkasten nachschaute. Schließlich zog er ein glänzendes Gerät heraus, das wie eine Schere aussah. „So was?“
„Ja, ich muss mir die Hände waschen.“ Als er die Augen verdrehte, hob ich hilflos die Hände. „Das habe ich mir so angewöhnt. Meine Eltern haben nicht den
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