Asche zu Asche
größten Teil ihrer Aktienfonds verkauft, um mir eine Ausbildung zu finanzieren, damit ich am Ende die einfachsten hygienischen Regeln vergesse .“
Außerdem konnte ich im Bad über alles nachdenken. Ich hatte erwartet, dass Nathan in dieser Situation Schwierigkeiten machen würde. Ich liebte ihn, aber ich machte mir keine Illusionen darüber, dass er ungewöhnlich selbstlos und kooperativ war. Dennoch hoffte ich insgeheim, dass dies hier nicht die einzige kleine Chance zerstörte, die wir hatten.
Es durfte nicht zu Ende sein zwischen uns. Nicht deswegen.
Auf der anderen Seite, machte es mir wirklich so viel aus? Ich hatte ja Cyrus.
Wusste ich es doch.
Entschieden warf ich den Gedanken, seinen und meinen,beiseite. Cyrus gehörte mir nicht. Er war mein Zögling, und ich hatte für ihn eine Pflicht zu erfüllen, das war alles. Zumindest dachte ich, ich sei ihm verpflichtet. Aber ich wusste nicht mit Sicherheit, was ein Schöpfer tun musste. Cyrus hatte mich manipuliert und gequält. Nathan hatte mir ein Dach über dem Kopf gegeben und mich vor den zahllosen Gefahren im Leben einer Untoten beschützt. Wie es mir schien, sollte ich das Letztere versuchen, nicht das Erstere.
Im selben Moment verstand ich, welche verführerischen Kräfte mir zur Verfügung standen. Cyrus hatte die Blutsbande missbraucht, und nun hatte ich die Gelegenheit, es ihm heimzuzahlen – ich könnte ihm zeigen, was er mir angetan hatte. Und ich verstand auch, warum er es getan hatte. Einfach, weil er es konnte. Weil er die Möglichkeit dazu gehabt hatte.
Ich trocknete mir die Hände ab und ging in mein Zimmer zurück. Nathan stand still vor der Tür. Cyrus lag auf dem Bett. Ihm schien es gleichgültig zu sein, ob er überall sein Blut verteilte. Nathan sah mich finster an, aber ich ignorierte ihn und ging daran, meine Arbeit zu machen. Auch wenn ich meine Medizinerkarriere schon vor Monaten beendet hatte, lief alles automatisch ab.
Und seltsamerweise, während ich die Wunde nähte, ebbte Nathans Wut ab und verwandelte sich in … Mitleid?
Du hast Mitleid mit ihm? Was? Ich bin die große böse Schöpferin, und jetzt bist du auf seiner Seite? Ich verzog das Gesicht und schottete mich gegen die Feindseligkeit ab, die ich durch die Blutsbande fließen spürte.
Ich bin nicht auf seiner Seite. Es gibt keine Seiten.
Fragend sah ich zu Nathan auf. Er kam zu uns ins Zimmer und sah mir mit verschränkten Armen dabei zu, wie ich Cyrus’ Wunden versorgte.
Ich presste die Lippen aufeinander und arbeitete weiter.
Du tust so, als würdest du dir mehr Sorgen um mich als um ihn machen.
Im Moment konzentriere ich mich nur darauf, ihn wieder zurechtzuflicken. Sonst wäre ich schon längst gegangen. Nathan reichte mir ein sauberes Handtuch, damit ich ein wenig Blut wegwischen konnte.
Du solltest ihn eigentlich hassen. Ich schnitt den Faden ab und begann damit, die nächste Wunde, die es nötig hatte, zu versorgen.
Ich weiß, was er durchmacht.
Was er damit meinte, fragte ich Nathan nicht. Er war gegen seinen Willen verwandelt worden, genauso, wie ich Cyrus gegen seinen Willen zum Vampir gemacht hatte.
Nathan sah mich scharf an und ging in sein Schlafzimmer.
Schweigend beendete ich meine Arbeit. Gelegentlich schaute ich Cyrus ins Gesicht, der mit stummer Faszination der Nadel dabei zusah, wie sie durch sein Fleisch glitt. Ich bekam eine Gänsehaut. Diesen Gesichtsausdruck hatte ich schon zuvor bei ihm gesehen. Als er noch ein Vampir gewesen war und Schmerz – sei es seiner oder der einer anderen Person – ihm eine Befriedigung verschafft hatte, die er sonst in seinem Leben nicht bekam. Ich vermied es, ihn noch einmal anzusehen.
Nachdem ich Cyrus zusammengeflickt hatte, machte ich mir nicht die Mühe, ihn wieder festzubinden. Er war böse, aber nicht dumm. Und er war schon einmal lange genug ein Vampir gewesen, um zu wissen, dass seine Kräfte jetzt begrenzt waren. Unsere Wunden heilen schnell, aber dennoch braucht es Zeit. Heute Nacht würde er uns nicht angreifen können.
Ich wusch meine Hände und ging in Nathans Zimmer. Er lag im Bett und hatte ein Buch in der Hand, aber seine Gedanken waren so durcheinander, dass er sich nichtauf die Buchstaben konzentrieren konnte, das wusste ich. „Ein bisschen früh, um schon ins Bett zu gehen, findest du nicht?“ Ich versuchte, unbeschwert zu klingen. Es misslang mir gründlich.
Er schaute auf, sagte keinen Ton und blickte wieder auf die Seite.
Der Streit hatte noch nicht einmal angefangen, und
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