Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
Augen des jungen Soldaten wurden groß, dann stürzte er davon. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass ihre Doppelgängerin nicht genau in diesem Lager war, aber die Chancen waren nicht hoch. Wenn sie Lord Joras’ Spionen glauben konnte, befand sich das vierte Regiment gerade viel weiter nördlich.
    Der Plan ging auf. Wenige Stunden später saß sie bereits in einem der nächsten Lager vor einer älteren Offizierin in einem Armeezelt. Die Frau betrachtete die Tätowierung, die bereits verheilt war und so wirkte, als trüge sie sie schon seit Wochen und Monaten. Dann blickte sie wieder in die Liste und verglich mit gerunzelter Stirn die Zahlen. »Du warst im vierten Regiment, Blissa. Hier steht aber, dass du vor zwei Wochen gefallen bist.«
    Summer senkte den Blick auf ihre Hände. Sie hätte froh sein müssen, dass der Zufall ihr nun keinen Strich mehr durch die Rechnung machen konnte, aber ihr tat es leid um das Mädchen.
    »Dacht ich auch«, antwortete sie, Blissas Tonfall genau imitierend. »Aber es stimmt nicht. Ich bekam nur einen Schlag auf den
Schädel und wusste ein paar Tage gar nichts. Ich bin ganz woanders aufgewacht und war gefesselt. Erst gestern konnte ich mich befreien und über den Fluss abhauen.«
    »Bemerkenswerte Leistung«, sagte die Offizierin. »Erklär mir, was genau passiert ist.« Summer gab den Bericht zum Besten, den sie mit Lord Joras immer wieder durchgegangen war. Eine wasserdichte Geschichte über Verhaftung und Flucht. Mit verlockend genauen Ortsangaben und weiteren Hinweisen, die der Offizierin wertvoll erscheinen mussten, sie aber auf eine falsche Fährte bezüglich Lord Joras’ nächster Strategie führen würden. Als sie zum Ende kam, wusste sie, dass sie damit gewonnen hatte.
    Mit einem Passierschein verließ sie in Begleitung des Soldaten, der sie gefunden hatte, die Sperrzone am Fluss, erreichte die Truppenunterkünfte und war endgültig auf der anderen Seite angelangt.
    Sie blieb nicht, sondern schlüpfte schon wenige Stunden später zwischen den Zelten davon und schlug sich sofort weiter, entfernte sich von den Kampflinien und hielt auf Lord Teremes’ Lager zu. Sie lief nachts, begleitet vom Licht der zweiten Wirklichkeit, das ihre Falter ihr schenkten, und verbarg sich am Tag. Sie kam über verwüstete Felder, die bereits schneeüberweht waren. Im Laufen rief sie sich immer wieder das Modell des Nordlandes in Erinnerung, die Markierungen und vor allem Lord Teremes’ Lager. Schritt für Schritt folgte sie dem Wegplan, den sie sich auf einer Karte eingezeichnet und dann eingeprägt hatte Dennoch hatte sich die Lage in diesen wenigen Tagen schon wieder verändert. Sie war überrascht, schon sehr bald Lord Teremes’ Lager auf einer Anhöhe zu sehen. Auf den graugrünen Militärzelten prangte Lord Teremes’ Lindenblatt. Aber auch die Stadtzeichen von Maymara und andere Landeswappen waren darauf zu sehen. Eine
Weile blieb Summer stehen und verschnaufte. Da unten ist er , dachte sie. Irgendwo in der Nähe von Lord Teremes.

    Sie war bereits fast bei den ersten Wachzelten, als sie hinter sich ein Klicken hörte und abrupt stehen blieb. »Hände hoch!«, sagte eine junge Stimme, die ziemlich nervös klang. Summer gehorchte und drehte sich langsam um. Ein hagerer Soldat hatte auf sie angelegt. Und offenbar waren seine Nerven nicht besonders gut. »Wo kommst du her?«, blaffte er. »Keiner verlässt das Lager!«
    Der Zeigefinger des Mannes zuckte am Abzug. Jetzt war Summer doch froh, das sie unter ihrer Militärjacke die Schutzweste trug.
    »Vom Frontlager«, sagte sie. »Ich hab einen Passierschein. Und ich …«
    »Schnauze!«, brüllte er. »Name?«
    In seinen rot geränderten Augen irrlichterte etwas Unheilvolles. Als hätte er zu viel gesehen, was er nicht ertragen konnte.
    »Blissa Tomlin.«
    »Code?«
    »24AZ98.«
    »Nummer?«
    »343/4«
    Er hatte hohle Wangen, die sich bei jedem Einatmen noch etwas mehr vertieften. Ohne das Gewehr zu senken, kam er zu ihr und schob mit der linken Hand grob ihren Ärmel hoch. Sein Blick wanderte zwischen der Tätowierung und ihrem Gesicht hin und her.
    »Was hattest du hier draußen zu suchen?«
    »Ich habe Informationen über die Zitadelle. Genauerer Bericht nur an den zuständigen Vorgesetzten.«

    »Wer soll das hier sein?«
    »Farrin Okland«, sagte sie so ruhig wie möglich.
    Selbst wenn er dich verhaftet, ist es eine Methode ins Lager zu kommen. Ich habe einen Passierschein und ich bin registriert. Und wenn er bis jetzt nicht

Weitere Kostenlose Bücher