Ascheherz
allein.«
Lady Mars eisige und zugleich warme Knochenhände legten sich auf Summers Schultern. Die Schwärmer beruhigten sich, waren ebenso umfangen und geborgen in dieser Berührung.
»Du wirst noch eine Weste erhalten«, sagte die Lady. »Du trägst sie unter deiner Kleidung, direkt auf der Haut. Sie kann Kugeln abhalten und wird dein Herz schützen.«
»Danke, Lady Mar.«
Die Todesfrau seufzte. »Danke mir nicht. Ich wünschte, ich könnte dich besser behüten. Und ich wünschte, ich hätte dir damals, als ich dich erschuf, das Blutherz genommen. Vielleicht hättest du dann Indigos Ruf besser widerstanden.«
Summer runzelte die Stirn. »Was meint Ihr damit?«
Lady Mars schmale Lippen verzogen sich zu einem gläsernen Lächeln, während unter der Haut der Totenschädel an seinem ewig gleichen Grinsen festhielt. Ihre Hand strich über Summers rötliches Haar.
»Früher war ich dir sehr ähnlich«, sagte sie zärtlich. »Die Zorya waren den Menschen näher als heute. Und das brachte uns in Gefahr. Denke nicht, Tors Indigo war der Erste, der mit seinem Tod haderte. Oh nein! Den meisten gelang es nicht, uns zu verletzen, aber manche schwächten uns durch Verführung und Lügen, die unsere Herzen zu glauben bereit waren. Ich beschloss, dass ich unangreifbar sein würde, kein Feuer, sondern Asche. Damals gab ich mein Herz auf. Ich nahm es aus meiner Brust und sah zu, wie es verbrannte, spürte, wie alles Fließen in meinen Adern verlosch. Das, was einem Menschen ähnlich war, starb in jener Nacht.«
Summer starrte in das Totengesicht und spürte, wie sie blass wurde. Vorsichtig, als sei sie nur verlegen, wich sie zurück und entzog sich Lady Mars Händen. Sie hatte nicht mehr an Loved denken wollen, aber jetzt sah sie sich wieder auf dem Elfenbeinbett sitzen, mit Loveds Herz in der Hand. Und sie erinnerte sich daran, wie entschlossen ihr Blick zum Feuer geschweift war.
»Erschreckt es dich?«, fragte Lady Mar verwundert.
»Ja«, erwiderte Summer.
»Viele von uns haben diesen Weg gewählt. Es lebt sich für uns
einfach besser ohne Herz. Nur du kannst diesen Weg leider nicht gehen, weil dein Mantel dir gestohlen wurde.«
Summer blickte zu den gläsernen Gesichtern, die viele der Zorya Lady Mar so ähnlich machten.
»Wenn wir keinen Mantel mehr haben, der uns schützt, haben wir mit den Menschen viel gemeinsam.« Lady berührte sacht ihre Brust, dort, wo ihr Herz gewesen war. »Dann sind wir an derselben Stelle am verwundbarsten. Die Menschen verlieren ihr Herz schnell und gern an andere Menschen oder sogar an leblose Dinge. An Leidenschaft und sogar an Geld. Sieh dir die Lords an, die unter meinem Befehl kämpfen. Sie geben ihr Herz hin für Macht und Geld, die ich sie erahnen ließ. Aber oft genug reicht auch schon ein Liebesschwur.«
»Können wir … Herzen rauben?«, fragte Summer mit schwacher Stimme. »Den Menschen, meine ich?«
Ein Tuscheln rauschte auf. Eine Empörung, die sogar Beljén ergriff.
»Natürlich könnten wie es«, erwiderte Lady Mar amüsiert. »Aber so etwas würde eine Zorya niemals tun.«
Summer senkte hastig den Blick. Ich habe es getan! »Was würde geschehen? Wenn eine Zorya ein Herz verbrennen würde?«
»Es wäre wie ein Fluch. Er würde weiterleben, aber sein Leben würde an der Stelle verharren. Wie eingefroren wären die Jahre. So lange, bis seine Zorya aufhörte zu existieren. Wenn sie unsterblich wäre, wäre auch dieser Mensch dazu verdammt, ewig zu leben. Erst wenn sie verlöschte, könnten zumindest seine Jahre wieder ihm gehören und weitergehen. Er würde seine Zeit leben, bis er stirbt. Aber glaube mir, es wäre kein glückliches Leben ohne Herz.«
schwarz und weiß
E s war befremdlich, die Zitadelle durch eines der Nordtore auf dem Landweg zu verlassen. Und mit jedem Schritt, den sie sich von den Zorya entfernte, fühlte sie sich einsamer. Schweigend hatten sie sich von ihr verabschiedet. Nun begleiteten sie nur noch Beljén und Anzej sowie eine von Lord Joras’ Truppen. Die Soldaten vermieden es, sie anzusehen, obwohl sie immer noch die Maske trug.
Die kugelsichere Weste lag zu eng an, aber das war nicht der Grund, warum es Summer so vorkam, als würde sie nicht genug Luft bekommen. Es war vor allem diese neue Schuld, die so schwer auf ihrem Herzen lastete. Denk an Indigo , redete sie sich zu. Wenn du im letzten Kuss sein Leben siehst, wirst du wissen, was damals auf dem Richtplatz geschah, und vielleicht kannst du dann auch verstehen, wie du Loved so etwas
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