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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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verlieren«, erklärte er. »Gestern kam es zum Angriff. Lord Teremes und seine Verbündeten haben die Zitadelle eingenommen. Wir wissen nicht, wie es ihnen gelungen ist. Manche mutmaßen, dass sie die Tandraj für sich gewinnen konnten, um die Haie und die Strömungen unter Kontrolle zu bringen. Ein Teil unserer Truppen konnte sich zurückziehen. Aber die Hälfte der Türme wurde gesprengt.«
    Die Rauchsäule. Und die toten Fische. Loved hatte es gleich gewusst. Und Tellus? Konnte er sich in Sicherheit bringen?
    »Auf Seiten aller Lords gab es große Verluste. Und Lady Mar hat sich mit den Zorya auf die Barke geflüchtet.«
    Jetzt konnte sie nicht anders, als an Beljén und die anderen zu
denken. Ihre Totenkopffalter zitterten in der Luft und flüchteten dann in die Dunkelheit. Summer zuckte mit den Schultern und bemühte sich um einen gleichgültigen Tonfall. »Damit musste Lady Mar rechnen. Auch eine Zitadelle hat Schwachstellen. Was soll’s? Den Schaden haben doch nur die Menschen. Sie wird eine andere Festung finden. Und andere Lords, die ihr dienen. So war es und so wird es immer sein, nicht wahr?«
    Im Zorya-Licht glommen Anzejs Augen in diesem beängstigenden Grün, das an phosphoreszierende Wesen in einem sehr tiefen Meer erinnerte.
    »Die Niederlage war nicht das Schlimmste«, sagte er tonlos. »Wir sterben, Tjamad. Indigo nimmt den Zorya nicht mehr nur die Flügel … er tötet sie.«
    Jetzt wurde Summer kalt, obwohl sie doch gar nicht frieren konnte.
    »Eine Zorya nach der anderen verschwindet und kehrt nicht wieder. Noch weitere zwei von uns. Und noch fünf andere, die nur Lady Mar kennt. Und es werden mehr. Jeden Tag. Sie spürt, dass … sie schreckliche Qualen leiden. Angst. Und ein Brennen wie von Feuer. Endlose Einsamkeit. Und dann: das Nichts. Sie verlöschen. Durch Menschenhand!«
    Summer tastete nach dem Türrahmen und stützte sich daran ab.
    Es passiert tatsächlich . Die schlimmsten Albträume werden wahr.
    »So viel Mitleid für das Sterben von ein paar Zorya? Wir verlöschen doch ohnehin alle, wenn Lady Mar es befiehlt.« Aber der sarkastische Tonfall wollte ihr nicht mehr gelingen. Und auch Anzej ging nicht darauf ein.
    »Aber wie kann er …?«, fragte sie.

    »Wenn du es nicht weißt, dann weiß es niemand«, antwortete er ruhig.
    »Beljén? Hat er sie … auch …?«
    »Nein, sie ist noch bei uns.«
    Noch.
    Jetzt bekam sie wirklich Angst. »Das heißt, es gibt bereits mehrere Unsterbliche? Und ihre Zorya sind tot?«
    »Ja. So sieht es aus. Lady Mar sammelt die letzten Truppen noch einmal zu einem großen Sturm. Sie hat die Hoffnung, zumindest die gefangenen Zorya zu befreien, bevor sie getötet werden. Oder Indigo zu finden. Sie kann ihn nicht töten, aber sie könnte ihn in Ketten legen, damit er zumindest keine weiteren Morde begeht. Ihm den Tod bringen kannst nur du. Aber das muss ich dir ja nicht erklären.«
    »Ich verstehe«, sagte Summer mit belegter Stimme. »Mein Leben gegen das der Zorya. Deshalb bist du hier. Eine charmante Einladung zum Totentanz?«
    Anzej schenkte ihr ein schmales, amüsiertes Lächeln, und für eine Sekunde sah sie wieder den Mann vor sich, der sie zum Streiten und Lachen gebracht hatte. Auf eine andere Art als Loved.
    »Nein. Ich bin hier, um dir Lebewohl zu sagen. Ich wollte nur, dass du weißt, was geschieht. Wenn es dir nichts bedeutet, dann werde ich dich nicht überreden, uns zu helfen. Vielleicht ist unsere Zeit einfach vorbei und die Zeit der Unsterblichen gekommen.«
    »Ich kann euch nicht helfen, Anzej! Aber ihr findet ihn. Im Lager nannte er sich Geresa und tarnte sich als Schreiber. Er hat schräge Augen und ein spitzes Kinn, er erinnert an einen Luchs. Und seine linke Augenbraue ist gespalten von einer Narbe.«
    Sie hörte ihre eigenen Erklärungen, aber sie klangen seltsam hohl. Anzej sah sie unverwandt an und sie verstummte schließlich.

    »Deine Entscheidung«, sagte Anzej.
    Sie senkte den Kopf, dann drückte sie die Handballen gegen ihre Augen. Ihr Kopf schmerzte plötzlich, als hätte sie tagelang nicht geschlafen.
    »Ich … muss nachdenken, Anzej.« Von ihm kam keine Antwort mehr. Und als sie die Hände herunternahm und aufblickte, war sie allein.
    Auf Zehenspitzen schlich sie zurück zum Kaminzimmer und kroch wieder zu Loved ins Bett. Ihre Geisterfalter setzten sich auf die Elfenbeinstreben, auf ihre Hände, in ihr Haar. Selten hatte sie hier so lange in der zweiten Wirklichkeit ausgeharrt, aber jetzt betrachtete sie in ihrem Licht

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