Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
Kopf in den Nacken warf und so sehr lachte, dass Summer all ihre Zahnlücken zählen konnte.
    »Gehst du mit Zia nicht in den Süden?«, fragte sie dann. »Bald friert das Meer zu!«
    Doch das Wildkind schnellte schon los, landete mit einem Bauchplatscher im Wasser und glitt mit dem großen Hai davon.
    »Mach dir keine Sorgen um das Tierläuferkind«, versuchte Loved sie an diesem Abend zu beruhigen. »Es hat seine Instinkte. Und wenn es wirklich auch Tandrajblut in den Adern hat, dann ist es dem Wasser näher als der Luft. Mach dir lieber Sorgen um mich. Ich friere erbärmlich.«
    »So empfindlich, Nordländer?«, spottete sie.
    Sie schob ihre Hand unter die Felldecke, hob sie ein Stück und küsste Loveds Brust. Der Zedernrauch, den sie vor Jahrhunderten so geliebt hatte, war Vergangenheit. Doch sie liebte den Duft, den seine Haut heute verströmte, um vieles mehr: Winterblüten und Wildheit.

    Es war der zehnte Tag, als die Luft sich veränderte. Stechender Rauchdunst vermischte sich mit dem Seewind. Und als sie zum
Plateaurand traten und nach Norden spähten, sahen sie weit in der Ferne die Ahnung einer Rauchsäule, die in den Himmel stieg. Kaum drei Stunden später spülte eine Strömung von Norden tote Fische an den Strand. Weiße Bäuche dümpelten in den Wellen. »Die Zitadelle«, sagte Loved. »Die Fische sehen aus, als hätte die Druckwelle einer Explosion sie umgebracht.«
    Summer nickte nur, dann gingen sie stumm in das Gewölbe zurück. Ihr Schwarm folgte ihr diesmal und hielt sich so dicht an ihr, als suchte er Schutz bei ihr.
    »Wir sollten vielleicht doch bei den Tierläufern untertauchen«, meinte Loved. »Von dort aus können wir den Weg durch die Berge nehmen. Und sobald es ruhig genug ist, finden wir ein Schiff für uns.«
    Summer schwieg.
    »Du vermisst sie?«, fragte Loved leise. »Trotz allem?«
    »Nein«, sagte sie barsch. Nur in ihrem Kopf hallten immer wieder zwei Worte wie ein höhnischer Refrain: Geliehene Zeit.
    Er küsste die Stelle zwischen ihren Brauen, doch diesmal entlockte er ihr kein Lächeln damit.
    »Weißt du was? Ich bringe dich auf andere Gedanken. Ich spiele ein Lied für dich.«
    »Spielen? Wir haben keine Gitarre.«
    An dem Blitzen in seinen Augen erkannte sie, dass er auf diesen Einwand gewartet hatte. Er zog sie zum Bett, bis sie nebeneinanderlagen. Dann nahm er sie in die Arme. Seine Brust drückte warm gegen ihre Schulterblätter. »Oh doch«, sagte er. »Dich!«
    Seine Fingerspitzen trommelten einen kleinen Wirbel auf die weiche Stelle unter ihrem Schlüsselbein. Seine Linke strich über ihren Bauch, als würde er tatsächlich sanft über Gitarrensaiten streichen. Jetzt musste sie doch lachen. »Das kitzelt.«

    »Nein, es klingt! Stell dir vor, du schwingst mit wie eine Saite. Und jetzt hör zu!«
    Sie schloss die Augen und spürte nur noch seinen Händen und der Stimme nach, die ihr eine sehr nordische, fröhliche Melodie ins Ohr summte. Sie entspannte sich. Und tatsächlich verschwanden die trüben Gedanken zumindest für einige Minuten.
    »Ich glaube, ich klinge tatsächlich«, flüsterte sie nach einer Weile.
    »Gut«, raunte Loved. »Dann hast du jetzt die Melodie. Und das ist der passende Text dazu. Mein Lied der Dinge, die jetzt so sind, wie sie sind.« Er räusperte sich und sang diesmal mit einer sanfteren, klaren Stimme:
    Trugst mit dir fort
den Teil
meines Herzens,
den du bewohnst
mein Leben lang …

Teil V
    schnee und asche

mitternacht
    S ie sah das Schimmern durch ihre geschlossenen Augenlider hindurch. Und natürlich wusste sie, wer es war. Mehr noch - ihr wurde klar, dass sie insgeheim schon darauf gewartet und sich vor diesem Moment gefürchtet hatte. Und trotzdem sammelten sich unter ihren Lidern Tränen der Wut und Enttäuschung.
    »Hat sie dich geschickt?«, fragte sie, ohne die Augen zu öffnen.
    »Nein«, antwortete Anzej ebenso leise.
    Wie verrückt , dachte sie. Wir versuchen beide, Loved nicht zu wecken, als wäre das alles, was jetzt noch zählt.
    »Du konntest mich unmöglich finden«, zischte sie. »Ich habe dich nicht gerufen. Im Gegenteil, ich habe dich so gründlich aus meinen Gedanken verbannt, als wärst du tot!«
    Sie machte sich darauf gefasst, dass er sie verspotten oder ihr eine scharfe Antwort geben würde, aber er klang nur seltsam gedrückt.
    »Ich hätte dich auch nie gefunden - wenn du mir damals auf dem Schiff nicht von den blauen Blüten erzählt hättest. Erinnerst du dich? Ein Passagier hat auf einer Pferdekopfgeige

Weitere Kostenlose Bücher